2003/2004 04. Spieltag: VfB Leipzig - FC Carl Zeiss Jena 2:2

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Spieldaten
Wettbewerb Oberliga, 4. Spieltag
Saison Saison 2003/2004, Hinrunde
Ansetzung VfB Leipzig - FC Carl Zeiss Jena
Ort Bruno-Plache-Stadion in Leipzig
Zeit Sa. 23.08.2003 14:00 Uhr
Zuschauer
Schiedsrichter
Ergebnis 2:2[1]
Tore
Andere Spiele
oder Berichte

Aufstellungen

Leipzig

Trainer:

Jena

Trainer: Steffens


Spielbericht

Nach gut einer Stunde hatte ich meinen virtuellen Spielbericht fertig. Als Schluss stand: „JENA IST KEINE SPITZENMANNSCHFT!“. Zu tief saß meine Enttäuschung über das vorher Erlebte, zu sehr schienen die Blau-Gelb-Weißen bemüht, sich peinlich genau an jenes Drehbuch zu halten, nach dem fast alle Jenaer Schlüsselspiele der letzten Oberligajahre abgelaufen waren (mit Ausnahme der beiden Partien gegen Plauen in der vergangenen Saison): Vor dem Fazit schien es mir allenfalls nötig, ein wenig Platz frei zu lassen, um eventuell ein 3:0 oder 4:0 nach Leipziger Konter zu vermerken.

Doch dann kam die 67. Minute und ich konnte den Spielbericht frei nach Helge Schneider in vier Teile zerknüllen. Aber der Reihe nach …

Nach der pünktlich zum Anpfiff einsetzenden Dusche bot sich auf dem Rasen des Bruno-Plache-Stadions ein aus Zeissfan-Sicht hoffungsvoller Datei: Jena durch Forechecking mit dem sichtbaren Bemühen, sich von Lok in keiner Weise beeindrucken zu lassen und das Aufbauspiel der Leipziger früh zu stören. Mit zunehmender Spieldauer wich bei mir jedoch die Zufriedenheit, denn wirkliche Torgefahr wurde damit nicht erzielt. Andererseits zeigten sich Fehler in der Raumaufteilung, denn zwischen den attackierenden Offensivspielern und der Abwehr klaffte ein ziemlich großes Loch, dass es Lok ermöglichte, schnell das Mittelfeld zu überwinden und im eigenen Stadion aus der Konterstellung heraus zu spielen. Wirklich beunruhigend wurde das für Tino Berbig allerdings nicht, selbst Schwesingers Schuss von der Strafraumkante in der 10. Minute hatte eher etwas von Verzweiflungstat als von koordinierten Angriffsbemühen. Zwischenbilanz nach ´ner halben Stunde: Jena kontrolliert das Geschehen, jedoch ohne Durchschlagskraft im Angriff, typisches 0:0-Spiel eben.

Doch dann hatte Kais Manai seinen großen Auftritt. Als die Jenaer Abwehr gerade im Vorwärtsgang war, köpfte er den Ball ohne Not in den Lauf des anstürmenden Olaf Renn, dessen verunglückte Flanke sich ins Netz senkte und für Ernüchterung im spärlich gefüllten Jena-Block sorgte, während sich die Leipziger ob soviel Jenaer Dämlichkeit wohl die Hose vollgemacht haben. Mit diesem Treffer war es schlagartig aus mit der Thüringer Herrlichkeit. Symptomatisch dafür war für mich das Auftreten von Kais Manai. Nach dem 1:0 stand er noch mit den Händen an der Hüfte da und blickte in Richtung Jenaer Strafraum, als hätte er von dem eben Geschehenen nur beiläufig aus der Zeitung erfahren, dann sank er nach seinem vergeblichen Schussversuch in der 33. Minute in sich zusammen und wurde klugerweise bis zur Halbzeit nur noch in Notsituationen angespielt, wobei es ihm selbst da noch souverän gelang, aus wenigen Metern Entfernung auf ihn gespielte Pässe ins Aus rollen zu lassen. Schuld am Leipziger 2:0 hatte er allerdings nicht. Unerheblich ob Alexander Maul vor dem Treffer gefoult wurde oder nicht, das Umschalten der Leipziger danach zeigte schonungslos die Schwächen der bisher nicht geforderten Jenaer Abwehr: Langer Ball aus dem Mittelfeld auf Mike Sadlo, von dort direkt zu Andreas Schwesinger und der zeigte jenen Torinstinkt, den er in Jena 12 Jahre lang so überaus geschickt verborgen hatte. Zu diesem Zeitpunkt spielte ich mit dem Gedanken, ob der Gang in die Gartenkneipe vorm Stadion nicht die bessere Option für diesen Nachmittag sei, selbst als sich Manai zur einzigen guten Tat des Nachmittags entschloß und Hannemanns Herausstellung provozierte, konnte ich keine Hoffnung schöpfen, zumal sich Daniel Petrowsky wenige Minuten danach erfolgreich um den numerischen Gleichstand bemühte.

Nach der Pause das gleiche Bild. Lok von den Spielern bis zu den Balljungen um Ergebnishalten bemüht, Jena mit sisyphushaften Angriffsbemühungen, jedoch ohne wirkliche Torgefahr. Wenn´s denn doch mal hätte brenzlig werden können für Schöne im Lok-Tor, fand sich noch jedesmal ein Blau-Gelb-Weißer, der eine passable Idee hatte, wie das zu verhindern wäre. Beispiel Alexander Maul: In der 49. Minute wurde er wunderbar angespielt und drang auf linksaußen in den Strafraum ein. Nachdem er sich im Spiel zuvor als Jünger vom Orden des possierlichen Querpasses geoutet hatte mußte es in dieser Situation nun gerade ein Direktschuss sein statt eines Anspiels zu einem mitgelaufenden Jenaer. Der Winkel für diese Variante war auch spitz genug, dass ihm wegen seines weit über das Tor gehenden Hammers nun wirklich niemand den Vorwurf machen konnte, eine gute Schusschance versiebt zu haben. In dieser Art und Weise glaubte ich die Minuten bis zum Abpfiff erleben zu müssen und hatte bereits den Stab gebrochen angesichts des offenkundigen Jenaer Unvermögen, trotz Dauerdrucks zu Zählbaren gegen eine Lok-Elf zu kommen, die aus meiner Sicht das Prädikat „Spitzenmannschaft“ klar verfehlte.

Dann geschah das, was ich als altdienter Jena-Fan das letzte Mal vor fünf Jahren beim Thüringen-Derby in Erfurt erlebt habe (damals ebenfalls 2:2 nach 2:0 Rückstand). Der FCC bog innerhalb weniger Minuten ein Spiel um, das die meisten Zeiss-Fans in Gedanken wohl ebenso schon abgeschrieben hatten. Bei Grassers Anschlußtreffer war erst sicher, das der Ball im Tor war, als die Leipziger wieder den Anstoß vollführten, da ich es bei dem bisherigen Spielverlauf nach für wahrscheinlicher hielt, der Ball habe bei dessen Schuss aus 1 Meter Torentfernung nur das Außennetz touchiert o.ä.. Als G. Müller dann nachlegte war das für mich ein Moment stiller Genugtung für viele Augenblicke maßloser Enttäuschungen und zerbrochener Hoffnungen der letzten Jahre. Nun schien sogar mehr möglich gegen 10 Leipziger, die stehend k.o. wirkten und unfähig schienen, dem Jenaer Dauerdruck irgendetwas entgegen zu setzen. Aber nach Jovic Chance in der 70. Minute ließ man sich wieder zurückfallen und bei etwas mehr Abgezockheit der Leipziger Stürmer in der 82. Minute hätte dieses Spiel auch in völliger Ernüchterung enden können. So aber ergab sich kurz vor Abpfiff für Christian Müller noch die Riesenchance, für einen rundum gelungenen Nachmitag zu sorgen, doch statt von einer Position, aus der Joachim Schwabe letzte Woche das 1:0 gegen Magdeburg erzielte, das Leder mit rechts in die Maschen zu hämmern, entschied er sich dafür, den Ball auf den schwächeren linken Fuß zu legen und soweit in Richtung Torlinie zu laufen, bis der Winkel immer spitzer wurde und der Leipziger Torwart somit zu billigem Ruhm kam. Kurz danach war Feierabend in einem Spiel, das für Achim Steffens laut Leipziger „Sachsen Sonntag“ „einfach geil war, vor allem für die Zuschauer“, wobei er hinzufügte: „Mit meiner Mannschaft muss ich nach der Partie noch einiges besprechen.“ Wenn „geil“ gleichbedeutend ist mit dem Ausloten der gesamten Bandbreite menschlicher Gefühle, so kann man ihm nicht widersprechen. Nach diesem Match können es meiner Meinung nach aber erstmal wieder ein paar Spiele sein, die für Achim Steffens vielleicht nur Gänseblümchensex-Charakter haben, für Herz und Kreislauf jedoch zuträglicher sind. Nun zum ernsthaften Fazit der Partie:

Ein Spitzenspiel habe ich im Gegensatz zum MDR und dem bereits zitierten „Sachsen Sonntag“ am Samstag nicht gesehen, ganz einfach, weil dazu mindestens eine Spitzenmannschaft nötig gewesen wäre und dafür boten beide Mannschaften zu wenig. Bei Lok empfand ich es als äußerst dürftig, sich als Heimteam fast die gesamte Spielzeit nur auf die Defensive zu konzentrieren und darauf zu hoffen, dass der Gegner irgendwann mal Fehler macht. Bei Jena ist zu kritisieren, dass sie den Leipziger eben diesen Gefallen taten und dass dann einige Spieler dem psychischen Druck nicht gewachsen schienen, dem sie mit dem Rückstand ausgesetzt waren, und sich in Alibi-Fußball gefielen. Für den weiteren Saisonverlauf erscheint mir Lok aufgrund der mangelnden Erfahrung vieler Spieler generell nicht dazu berufen, bis zum Ende um den ersten Platz mitzuspielen. Bei Jena habe ich da natürlich größere Hoffnung, wofür es mehrere Gründe gibt:

a) Die erfolgreiche Aufholjagd dürfte Selbstvertrauen geben für künftige Spiele, wenn es gegen stärkere Mannschaften wie den HFC geht und zwangsläufig Situationen entstehen können, in denen man sich des gegnerischen Drucks erwehren respektive einen Rückstand aufholen muss.

b) Der besonders nach der Neugersdorf-Pleite der letzten Saison hier im Forum arg gescholtene Olaf Holetschek hat für mich am Samstag jene Führungsqualitäten bewiesen, die nicht nur ich oft von ihm vermisst habe. Als einer der Wenigen blieb er auch nach dem Rückstand abgeklärt und wurde in der zweiten Halbzeit zu einem wichtigen Antreiber des Jenaer Spiels.

c) Den bisher fehlenden Stürmertoren (Ausnahme Zimmermann in Sondershausen) gilt es auch Positives abzugewinnen. Jena ist auf fast allen Positionen torgefährlich und damit schwer auszurechnen. Sollte beispielsweise bei Lok Schwesinger zu seiner gewohnten Form der Jenaer Tage zurückfinden dürfte es im Leipziger Angriff zappenduster aussehen.

d) Eric Noll konnte in den wenigen Minuten auf dem Platz zeigen, dass er mit seiner Ruhe und Übersicht auf jeden Fall eine Verstärkung für die Mannschaft darstellt. Bei Christian Müller hoffe ich auf Ähnliches und verbuche die versiebte Großchance am Ende unter die Rubrik „Trainingsrückstand“. Sollte er demnächst in einer ähnlichen Situation stehen, möge er sich doch bitte „Uns Uwe“-Seeler, Loddar M., Mario Basler oder wen sonst auch immer zum Vorbild nehmen, der zum Kronzeugen für die These taugt, dass ein Übermaß an intellektuellen Gaben für den Erfolg im Fußball nicht bedeutungsvoll ist, und statt lange grübeln einfach mal gefühlvoll den rechten Hammer auspacken.

Das wär´s an Positivem, denn bei der Einschätzung der Einwechsler resp. Neuzugänge kann man Sebastian Hänsel nicht außen vor lassen. Seine Leistung am Samstag dürfte allen Kritikern seiner Verpflichtung neue Nahrung geben. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwähren, das Jenaer Angriffsspiel in der zweiten Halbzeit hätte auch nicht an Qualität verloren, wenn statt seiner der Platz- oder Zeugwart aufgelaufen wären. Dabei störte mich weniger seine offensichtlich fehlende Bindung zu seinen Mitspieler, da man ihm einen solchen Vorwurf nur schwerlich in eine Richtung machen kann. Bedenklicher erschien mir, dass er es sich häufig im Niemandsland des Mittelfeldes kommode machte statt sich als Anspielpunkt auf Rechtsaußen ins Jenaer Angriffspiel einzubringen. Mit dem Hinweis auf sein Alter werde ich mich aber in Geduld üben und hoffe mich getäuscht zu haben.

Beim Ausblick auf das Laubegast-Spiel scheint mir das Remis vom Samstag abschließend auch deshalb positive Seiten zu haben, weil ein Sieg gegen Lok ungleich mehr Raum für die Entstehung einer „Wir können uns nur selber schlagen“-Mentalität geschaffen hätte als das hart erkämpfte Remis. Vielleicht sollten wir Christian Müller deshalb sogar dankbar sein, bewahrt uns seine beschriebene Zögerlichkeit im Abschluß eventuell doch vor einer neuerlichen Neugersdorf-Einlage am nächsten Spieltag? Am 3.9. wissen wir mehr.

--Al Knutone

Anmerkung

  1. Resultat wurde nach der Insolvenz des VfB Leipzig annulliert und ging nicht in die Tabelle ein.