1960 FDGB-Pokal Finale: SC Motor Jena - SC Empor Rostock 3:2: Unterschied zwischen den Versionen

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== Aufstellungen ==
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:Heinsch, Schmidt, Zapf, Söllner, Pankau, Minuth, Leeb, Bialas, Ernst, Kleiminger (89. Schaller), Drews
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:Erwin Schmidt, Kurt Zapf, Siegfried Söllner, Herbert Pankau, Heinz Minuth, Rolf Leeb, Arthur Bialas, Joachim Ernst, Heino Kleiminger (89. Gerhard Schaller), Werner Drews


Trainer: Walter Fritzsch  
Trainer: Walter Fritzsch  


== Die Trainer vor dem Spiel ==
== Die Trainer vor dem Spiel ==
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* '''Georg Buschner''':  
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"Man unterschiebt Trainern bei deren Prognosen oftmals, sie würden in Zweckpessimismus machen. Dem ist keinesfalls so, wenn ich behaupte, daß der Favorit für dieses Endspiel der SC Empor ist. Meine Gründe: Einmal, daß die Ostseestädter mit Zapf, Bialas, Schmidt, Schaller, Minuth, Spieler in ihren Reihen haben, deren Routine allein schon ein Plus gegenüber unserer jungen Elf ist. Zum anderen ist die Tatsache,daß die Schützlinge meines Kollegen Walter Fritzsch bereits zum dritten Mal in einem Pokalfinale stehen und damit schon genügend Endspielatmosphäre kennen, die auch nicht von der Hand zu weisen ist."   
"Man unterschiebt Trainern bei deren Prognosen oftmals, sie würden in Zweckpessimismus machen. Dem ist keinesfalls so, wenn ich behaupte, daß der Favorit für dieses Endspiel der SC Empor ist. Meine Gründe: Einmal, daß die Ostseestädter mit Zapf, Bialas, Schmidt, Schaller, Minuth, Spieler in ihren Reihen haben, deren Routine allein schon ein Plus gegenüber unserer jungen Elf ist. Zum anderen ist die Tatsache,daß die Schützlinge meines Kollegen Walter Fritzsch bereits zum dritten Mal in einem Pokalfinale stehen und damit schon genügend Endspielatmosphäre kennen, die auch nicht von der Hand zu weisen ist."   
== Spielbericht ==
=== Peter Ducke bezwang SC Empor nach dramatischem Endspiel ===
„Noch fünfundzwanzig Sekunden, und der SC Empor Rostock ist Pokalsieger!“ Der Chronist wird nicht der einzige gewesen sein, der in diesem Augenblick im Magdeburger Ernst-Grube-Stadion auf die Uhr geschaut hat. Doch dann war der Blick wieder auf dem grünen Rasen, da passierte es! Lange zog nach einem Sprint auf dem rechten Flügel eine flache Hereingabe vor das Tor. Peter Ducke, dieser Instinktfußballer mit dem Kämpferherzen, dieses junge und hoffnungsvolle Fohlen im Jenaer Sturmzentrum, war zur Stelle. Rostocks bis dahin so souveräne Abwehr und Heinsch waren zum zweiten Male bezwungen. Gut 10 Sekunden vor Ablauf der regulären Spielzeit hatte Jena im verzweifelten Endspurt die Verlängerung erkämpft, die Verlängerung in einem Pokalfinale, das als eines der dramatischsten und würdigsten in der Geschichte des FDGB-Pokals eingehen wird. Kein Regisseur vermag einen Kriminalfilm spannender zu gestalten,  als die 23 Akteure es an unserem DDR-Geburtstag im Magdeburger Stadion mit diesem Endspiel taten. Am 11. Geburtstag der Deutschen Demokratischen Republik, im 10. Pokalfinale, bewiesen beide Mannschaften, dass unser Fußball lebt, daß unsere Mannschaften zu großen Leistungen sich aufschwingen können. Es war ein würdiges, ein packendes Endspiel, es war ein schönes Geburtstagsgeschenk der beiden Endspielpartner für die (leider nur!) 10000 Zuschauer, meist Rostocker und Jenaer.
Schön, daß die beiden „feindlichen Lager“ die fehlenden 40000 gar nicht so sehr vermissen ließen, daß sie dem Spiel eine temperamentvolle Kulisse gaben, daß sie beide (die Jenaer und die Rostocker!) auch auf den Rängen in sportlich fairer Haltung dieses mitreißende Endspiel krönten.
Als nach den Klängen der Nationalhymne der Vizepräsident des DFV, Helmuth Behrendt, als der Vertreter des FDGB, Karstens, als die Zuschauer den 10. FDGB-Pokal-Sieger feierten, da hatte ein Spiel seinen würdigen Abschluß gefunden, in dem Freude und Tragik sich die hand reichten, in dem der sportliche Geist dominierte. Es war ein typisches Pokalspiel, ein Kampf auf Biegen und Brechen, ein Spiel, in dem die faszinierende Brillanz der Kombination oft zu kurz kam, aber eben ein Kampfspiel, ein wahrhaft kräftezehrendes Finale, in dem jeder der 23 Spieler das Letzte zu geben bereit war. Und das allein machte diesen Tag zu einem unvergessenen Erlebnis. Dank dafür, ihr Jenaer, ihr Rostocker, weil ihr mit diesem großen Finale nicht nur euch selbst, sondern auch unserem Fußball einen schönen Dienst erwiesen habt.
Es gab nicht wenige, die die Tragik dieses Kampfes (vor allem natürlich die Rostocker, die bei ihrem dritten Anlauf wieder scheiterten) als Bitternis empfanden. Doch Kopf hoch, es gab schon Fußballmannschaften die öfter im Finale strauchelten, aber sicherlich gab es auch selten welche,  die fast in letzter Sekunde scheiterten und so würdige Verlierer waren. Dabei sahen die Rostocker wie die sicheren Sieger aus, als sie in der zweiten Halbzeit ihren Gegner beherrschten, als sie souverän auftrumpften, als sie nach einer prachtvollen Einzelleistung von Arthur Bialas, der von der Grundlinie eine Musterrückgabe dem aufgerückten Pankau auf den Fuß servierte, 2:0 in Führung lagen.
Diese konstruktive Beherrschung des Mittelfeldes machte die Mecklenburger, so dachten sicherlich die meisten, schon jetzt deshalb zum wahrscheinlichen Pokalsieger, weil diese Mannschaft sich aus den Angriffsklauen des wuchtigen Jenaer Sturmes, der die erste halbe Stunde lang ständig uns wuchtig angriff, befreit hatte. Befreit dank einer hervorragenden Abwehrleistung. Mit einer selten erlebten Sicherheit und Routine bewahrte Kapitän Kurt Zapf im Verein mit seinem Torwart Heinsch die Elf vor einem Rückstand, obwohl seine Abwehr verwundbare Stellen hatte (Schmidt, Söllner!). Und weil die Rostocker sich dann so sehr steigerten, weil Jena den Schock des ersten Tores, eines excellenten Treffers, nicht richtig verdaute, darum glaubte kaum noch jemand an eine Wende.
Dabei spielte Jena großartig auf in dieser stürmischen Eröffnungsoffensive. Unverkennbar demonstrierte die Mannschaft eine durchschnittliche technische Überlegenheit, aber genauso unverkennbar zeigte dieser Rostocker Führungstreffer die ganze Empfindlichkeit dieser Technikerelf. Und was für ein Tor bedeutete für Rostock die Wende zum (vorerst) Guten:  Genau eine halbe Stunde war gespielt. Über 60 Meter schlug Zapf einen Freistoß in den Motor-Strafraum, genau auf den Kopf des agilen Ernst, der nach halblinks ablegte. Entschlossen feuerte Drews volley ab. Der ausgezeichnete Fritzsche hatte keine Abwehrmöglichkeit gegen diesen prachtvollen Treffer.
Doch in der psychologischen Wirkung fand dieses Tor eine Wiederholung. Und diesem Treffer ging ein Fehler voraus, und dieser Erfolg 12 Minuten vor Spielende sah auch Heinsch, diesem Tausendsassa, der die 10000 wie sein Gegenüber Fritzsche oft zu Beifall auf offener Szene herausforderte, nicht auf dem Posten. Über 30 Meter lief Peter Ducke mit dem Ball, kein Rostocker griff ihn an, keiner störte ihn. Und Ducke tat einfach das, was keiner erwartete. Aus fünfundzwanzig Metern schoß er wuchtig ab, Rostocks Schlußmann stand drei, vier Schritte vor seinem Tor. Direkt hinter ihm schlug das Leder knapp unter der Latte zum Anschlußtreffer ein.
Hatte sich Empor nicht etwas zu frühzeitig eingeigelt? Sicherlich war das keine Anweisung, sondern wurde aus der Situation geboren. Aber die langen Schläge Kurt Zapfs blieben jetzt aus, sie blieben aus, weil vielleicht die Kraft nachließ (kein Wunder bei dem Tempo!) , aber die blieben vor allen Dingen deshalb aus, weil sich im Sturm keiner mehr anbot, der mit diesen Vorlagen abgezogen wäre.
So begann ein mörderischer Endspurt der Jenaer und setzte einen erstaunlichen Schlußstrich unter diese ersten 90 Minuten, weil die Kondition (beider Mannschaften) nun nochmals einer härtesten Belastungsprobe unterzogen wurde. Beide bestanden (auch in der Verlängerung) , doch Motor hatte den psychologischen Vorteil im spielentscheidenden Augenblick auf seiner Seite.
Erstaunlich wie sich die Mannschaft Buschners nochmal steigerte, wie sie nochmals konstruktiv wurde. Mit dieser prachtvollen Steigerung unterstrich Jena seine vortreffliche Leistung der ersten halben Stunde. Helmut Müller hatte ob seines erstaunlichen Aktionsradius neben Peter Ducke entscheidenden Anteil an diesem Erfolg. Müller war der umsichtige, fleißige Dirigent dieser Fünferreihe, wie es auf der Gegenseite Heino Kleiminger war. Als Kleiminger dann in der 89. Minute verletzt ausschied, als er vom Platz getragen wurde und der hervorragend leitende Bergmann (seine oft geradezu verblüffenden Vorteils-Auslegungen trugen wesentlich zur Dramatik dieses Finales bei) das Spiel mit einem Niederwurf fortsetzte, da gab es Diskussionen, die darauf hinzielten, Jenas Abwehr ein Foul an Kleiminger nachzusagen. Und bei Foul wäre ja ein Freistoß fällig gewesen, und dann wäre das Spiel für Empor gelaufen, meinten diejenigen, die so sprachen. Nein, liebe Sportfreunde. Wir wollen nicht etwas suchen, was nicht war, um den Jenaer Enderfolg zu schmälern. Bergmann stand direkt am Tatort, und Heino Kleiminger versicherte mir abends, daß er nicht glaube, in diesem so ritterlichen Spiel gefoult worden zu sein.
Und fast mit dem Schlußpfiff schaffte dann Motor noch das notwendige Unentschieden (siehe Einleitung dieses Berichtes).
In einer ebenfalls turbulenten, von beiden Mannschaften offensiv geführten Verlängerung, brachte dann die 110. Minute die Entscheidung, als Lange am rechten Flügel durch war, flach nach innen gab (an Zapf und Söllner rollte das Leder vorbei) und Kirsch sich sozusagen die Ecke aussuchen konnte. Das war der dritte Pokalendspiel-K.-o. für den SC Empor.
Jubelndes Jena. Die junge Mannschaft hatte ein fast verloren geglaubtes Spiel mit unbändigem Kampfgeist aus dem Feuer gerissen. Die Elf war in der entscheidenden Phase glücklicher, aber Motor war keineswegs ein unverdienter Pokalsieger. Hier mußte das Glück das Zünglein an der Waage sein. Fortuna aber war dem SC Empor nicht hold. Die launische Göttin entschied sich für die Mannschaft, die im dramatischen Finish dominierte, die die Routine besiegte mit jugendlichem Elan, mit unbändigem Kampfes- und Siegeswillen. Jena hob eine Mannschaft aus den Angeln, für die dieser Tag und dieses Spiel nicht minder ehrenvoll ist, weil sie alles in allem gesehen ein gleichwertiger Gegner war.
''(Hermann Gehne in „Die Neue Fußballwoche“ vom 11. Oktober 1960)''





Version vom 7. November 2010, 23:33 Uhr

Spieldaten
Wettbewerb FDGB-Pokal, Finale
Saison Saison 1960
Ansetzung SC Motor Jena - SC Empor Rostock
Ort Ernst-Grube-Stadion in Magdeburg
Zeit Fr. 07.10.1960 14:15 Uhr
Zuschauer 10.000
Schiedsrichter Bengmann
Ergebnis 3:2 n.V.
Tore
Andere Spiele
oder Berichte

Aufstellungen

Trikotfarben
Trikotfarben
Trikotfarben
Trikotfarben
Jena
Harald Fritzsche
Hilmar Ahnert, Walter Eglmeyer, Hans-Joachim Otto, Hans Graupe, Siegfried Woitzat, Roland Ducke, Helmut Müller, Peter Ducke, Dieter Lange, Horst Kirsch

Trainer: Georg Buschner

Trikotfarben
Trikotfarben
Trikotfarben
Trikotfarben
Rostock
Jürgen Heinsch
Erwin Schmidt, Kurt Zapf, Siegfried Söllner, Herbert Pankau, Heinz Minuth, Rolf Leeb, Arthur Bialas, Joachim Ernst, Heino Kleiminger (89. Gerhard Schaller), Werner Drews

Trainer: Walter Fritzsch

Die Trainer vor dem Spiel

  • Walter Fritzsch:

"Ich möchte behaupten, daß der SC Motor leicht favorisiert ist. Überzeugende Siege liessen die Mannschaft ins Endspiel einziehen"

  • Georg Buschner:

"Man unterschiebt Trainern bei deren Prognosen oftmals, sie würden in Zweckpessimismus machen. Dem ist keinesfalls so, wenn ich behaupte, daß der Favorit für dieses Endspiel der SC Empor ist. Meine Gründe: Einmal, daß die Ostseestädter mit Zapf, Bialas, Schmidt, Schaller, Minuth, Spieler in ihren Reihen haben, deren Routine allein schon ein Plus gegenüber unserer jungen Elf ist. Zum anderen ist die Tatsache,daß die Schützlinge meines Kollegen Walter Fritzsch bereits zum dritten Mal in einem Pokalfinale stehen und damit schon genügend Endspielatmosphäre kennen, die auch nicht von der Hand zu weisen ist."

Spielbericht

Peter Ducke bezwang SC Empor nach dramatischem Endspiel

„Noch fünfundzwanzig Sekunden, und der SC Empor Rostock ist Pokalsieger!“ Der Chronist wird nicht der einzige gewesen sein, der in diesem Augenblick im Magdeburger Ernst-Grube-Stadion auf die Uhr geschaut hat. Doch dann war der Blick wieder auf dem grünen Rasen, da passierte es! Lange zog nach einem Sprint auf dem rechten Flügel eine flache Hereingabe vor das Tor. Peter Ducke, dieser Instinktfußballer mit dem Kämpferherzen, dieses junge und hoffnungsvolle Fohlen im Jenaer Sturmzentrum, war zur Stelle. Rostocks bis dahin so souveräne Abwehr und Heinsch waren zum zweiten Male bezwungen. Gut 10 Sekunden vor Ablauf der regulären Spielzeit hatte Jena im verzweifelten Endspurt die Verlängerung erkämpft, die Verlängerung in einem Pokalfinale, das als eines der dramatischsten und würdigsten in der Geschichte des FDGB-Pokals eingehen wird. Kein Regisseur vermag einen Kriminalfilm spannender zu gestalten, als die 23 Akteure es an unserem DDR-Geburtstag im Magdeburger Stadion mit diesem Endspiel taten. Am 11. Geburtstag der Deutschen Demokratischen Republik, im 10. Pokalfinale, bewiesen beide Mannschaften, dass unser Fußball lebt, daß unsere Mannschaften zu großen Leistungen sich aufschwingen können. Es war ein würdiges, ein packendes Endspiel, es war ein schönes Geburtstagsgeschenk der beiden Endspielpartner für die (leider nur!) 10000 Zuschauer, meist Rostocker und Jenaer.

Schön, daß die beiden „feindlichen Lager“ die fehlenden 40000 gar nicht so sehr vermissen ließen, daß sie dem Spiel eine temperamentvolle Kulisse gaben, daß sie beide (die Jenaer und die Rostocker!) auch auf den Rängen in sportlich fairer Haltung dieses mitreißende Endspiel krönten.

Als nach den Klängen der Nationalhymne der Vizepräsident des DFV, Helmuth Behrendt, als der Vertreter des FDGB, Karstens, als die Zuschauer den 10. FDGB-Pokal-Sieger feierten, da hatte ein Spiel seinen würdigen Abschluß gefunden, in dem Freude und Tragik sich die hand reichten, in dem der sportliche Geist dominierte. Es war ein typisches Pokalspiel, ein Kampf auf Biegen und Brechen, ein Spiel, in dem die faszinierende Brillanz der Kombination oft zu kurz kam, aber eben ein Kampfspiel, ein wahrhaft kräftezehrendes Finale, in dem jeder der 23 Spieler das Letzte zu geben bereit war. Und das allein machte diesen Tag zu einem unvergessenen Erlebnis. Dank dafür, ihr Jenaer, ihr Rostocker, weil ihr mit diesem großen Finale nicht nur euch selbst, sondern auch unserem Fußball einen schönen Dienst erwiesen habt.

Es gab nicht wenige, die die Tragik dieses Kampfes (vor allem natürlich die Rostocker, die bei ihrem dritten Anlauf wieder scheiterten) als Bitternis empfanden. Doch Kopf hoch, es gab schon Fußballmannschaften die öfter im Finale strauchelten, aber sicherlich gab es auch selten welche, die fast in letzter Sekunde scheiterten und so würdige Verlierer waren. Dabei sahen die Rostocker wie die sicheren Sieger aus, als sie in der zweiten Halbzeit ihren Gegner beherrschten, als sie souverän auftrumpften, als sie nach einer prachtvollen Einzelleistung von Arthur Bialas, der von der Grundlinie eine Musterrückgabe dem aufgerückten Pankau auf den Fuß servierte, 2:0 in Führung lagen.

Diese konstruktive Beherrschung des Mittelfeldes machte die Mecklenburger, so dachten sicherlich die meisten, schon jetzt deshalb zum wahrscheinlichen Pokalsieger, weil diese Mannschaft sich aus den Angriffsklauen des wuchtigen Jenaer Sturmes, der die erste halbe Stunde lang ständig uns wuchtig angriff, befreit hatte. Befreit dank einer hervorragenden Abwehrleistung. Mit einer selten erlebten Sicherheit und Routine bewahrte Kapitän Kurt Zapf im Verein mit seinem Torwart Heinsch die Elf vor einem Rückstand, obwohl seine Abwehr verwundbare Stellen hatte (Schmidt, Söllner!). Und weil die Rostocker sich dann so sehr steigerten, weil Jena den Schock des ersten Tores, eines excellenten Treffers, nicht richtig verdaute, darum glaubte kaum noch jemand an eine Wende.

Dabei spielte Jena großartig auf in dieser stürmischen Eröffnungsoffensive. Unverkennbar demonstrierte die Mannschaft eine durchschnittliche technische Überlegenheit, aber genauso unverkennbar zeigte dieser Rostocker Führungstreffer die ganze Empfindlichkeit dieser Technikerelf. Und was für ein Tor bedeutete für Rostock die Wende zum (vorerst) Guten: Genau eine halbe Stunde war gespielt. Über 60 Meter schlug Zapf einen Freistoß in den Motor-Strafraum, genau auf den Kopf des agilen Ernst, der nach halblinks ablegte. Entschlossen feuerte Drews volley ab. Der ausgezeichnete Fritzsche hatte keine Abwehrmöglichkeit gegen diesen prachtvollen Treffer.

Doch in der psychologischen Wirkung fand dieses Tor eine Wiederholung. Und diesem Treffer ging ein Fehler voraus, und dieser Erfolg 12 Minuten vor Spielende sah auch Heinsch, diesem Tausendsassa, der die 10000 wie sein Gegenüber Fritzsche oft zu Beifall auf offener Szene herausforderte, nicht auf dem Posten. Über 30 Meter lief Peter Ducke mit dem Ball, kein Rostocker griff ihn an, keiner störte ihn. Und Ducke tat einfach das, was keiner erwartete. Aus fünfundzwanzig Metern schoß er wuchtig ab, Rostocks Schlußmann stand drei, vier Schritte vor seinem Tor. Direkt hinter ihm schlug das Leder knapp unter der Latte zum Anschlußtreffer ein.

Hatte sich Empor nicht etwas zu frühzeitig eingeigelt? Sicherlich war das keine Anweisung, sondern wurde aus der Situation geboren. Aber die langen Schläge Kurt Zapfs blieben jetzt aus, sie blieben aus, weil vielleicht die Kraft nachließ (kein Wunder bei dem Tempo!) , aber die blieben vor allen Dingen deshalb aus, weil sich im Sturm keiner mehr anbot, der mit diesen Vorlagen abgezogen wäre.

So begann ein mörderischer Endspurt der Jenaer und setzte einen erstaunlichen Schlußstrich unter diese ersten 90 Minuten, weil die Kondition (beider Mannschaften) nun nochmals einer härtesten Belastungsprobe unterzogen wurde. Beide bestanden (auch in der Verlängerung) , doch Motor hatte den psychologischen Vorteil im spielentscheidenden Augenblick auf seiner Seite.

Erstaunlich wie sich die Mannschaft Buschners nochmal steigerte, wie sie nochmals konstruktiv wurde. Mit dieser prachtvollen Steigerung unterstrich Jena seine vortreffliche Leistung der ersten halben Stunde. Helmut Müller hatte ob seines erstaunlichen Aktionsradius neben Peter Ducke entscheidenden Anteil an diesem Erfolg. Müller war der umsichtige, fleißige Dirigent dieser Fünferreihe, wie es auf der Gegenseite Heino Kleiminger war. Als Kleiminger dann in der 89. Minute verletzt ausschied, als er vom Platz getragen wurde und der hervorragend leitende Bergmann (seine oft geradezu verblüffenden Vorteils-Auslegungen trugen wesentlich zur Dramatik dieses Finales bei) das Spiel mit einem Niederwurf fortsetzte, da gab es Diskussionen, die darauf hinzielten, Jenas Abwehr ein Foul an Kleiminger nachzusagen. Und bei Foul wäre ja ein Freistoß fällig gewesen, und dann wäre das Spiel für Empor gelaufen, meinten diejenigen, die so sprachen. Nein, liebe Sportfreunde. Wir wollen nicht etwas suchen, was nicht war, um den Jenaer Enderfolg zu schmälern. Bergmann stand direkt am Tatort, und Heino Kleiminger versicherte mir abends, daß er nicht glaube, in diesem so ritterlichen Spiel gefoult worden zu sein.

Und fast mit dem Schlußpfiff schaffte dann Motor noch das notwendige Unentschieden (siehe Einleitung dieses Berichtes).

In einer ebenfalls turbulenten, von beiden Mannschaften offensiv geführten Verlängerung, brachte dann die 110. Minute die Entscheidung, als Lange am rechten Flügel durch war, flach nach innen gab (an Zapf und Söllner rollte das Leder vorbei) und Kirsch sich sozusagen die Ecke aussuchen konnte. Das war der dritte Pokalendspiel-K.-o. für den SC Empor.

Jubelndes Jena. Die junge Mannschaft hatte ein fast verloren geglaubtes Spiel mit unbändigem Kampfgeist aus dem Feuer gerissen. Die Elf war in der entscheidenden Phase glücklicher, aber Motor war keineswegs ein unverdienter Pokalsieger. Hier mußte das Glück das Zünglein an der Waage sein. Fortuna aber war dem SC Empor nicht hold. Die launische Göttin entschied sich für die Mannschaft, die im dramatischen Finish dominierte, die die Routine besiegte mit jugendlichem Elan, mit unbändigem Kampfes- und Siegeswillen. Jena hob eine Mannschaft aus den Angeln, für die dieser Tag und dieses Spiel nicht minder ehrenvoll ist, weil sie alles in allem gesehen ein gleichwertiger Gegner war.

(Hermann Gehne in „Die Neue Fußballwoche“ vom 11. Oktober 1960)