1982/1983 ECIII 1. Spiel: FC Carl Zeiss Jena - Girondins Bordeaux 3:1

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Spieldaten
Wettbewerb EC III, 1. Runde Hinspiel
Saison Saison 1982/1983
Ansetzung FC Carl Zeiss Jena - Girondins Bordeaux
Ort Ernst-Abbe-Sportfeld
Zeit Mi. 15.09.1982 17:00 Uhr
Zuschauer 16.000
Schiedsrichter Ericsson (Schweden)
Ergebnis 3:1
Tore
Andere Spiele
oder Berichte

Aufstellungen

Jena
Hans-Ulrich Grapenthin
Rüdiger Schnuphase
Konrad Weise, Wolfgang Schilling
Gerhardt Hoppe, Stefan Meixner (61. Andreas Bielau), Lothar Kurbjuweit, Matthias Kaiser
Martin Trocha, Jürgen Raab, Jörg Burow (75. Thomas Töpfer)

Trainer: Hans Meyer

Bordeaux
Richard Ruffier
Marius Trésor
Jean-Christophe Thouvenel, Léonard Specht, François Bracci
Jean Tigana, René Girard, Alain Giresse, Caspar Memering (68. Raymond Domenech)
Dieter Müller, Bernard Lacombe

Trainer: Aimé Jacquet

Spielbericht

Verdienter Lohn für den großen Aufwand

Eintrittskarte

Ungeachtet von Verständigungsschwierigkeiten und Taktikproblemen in den ersten Punktspielwochen besaßen die Bordelesen kein gestörtes Verhältnis zum Optimismus: "Die Mannschaft ist stark genug. Sie kann in der Meisterschaft und im UEFA-Cup eine gute Rolle spielen", so Trainer Aime Jaquet vor dem Anpfiff. Nach den 90 Minuten im Ernst-Abbe-Sportfeld machte die hochdotierte Startruppe nicht den Eindruck von Paradiesvögeln. "Jenas Athletik und Kampfkraft machten uns doch schwer zu schaffen", erklärte Girondins-Kapitän Alain "Gigi" Giresse.

Merke: Hans Meyer und die Zeiss-Elf ließen sich richtigerweise nicht von der individuellen Klasse des Gegners mit seinen gegenwärtigen und Ex-Nationalspielern französischer und BRD-Herkunft leiten, sondern wucherten mit ihren eigenen Pfunden (Willen, Moral, Fleiß, Steigerungsfähigkeit). "Dafür wurde sie zu Recht belohnt und hat nun ihre Weiterkommenschance", resümierte Hans Meyer.

Jenas 37. Sieg im 76. EC-Spiel stand nie in Zweifel! "Das hatte ich eigentlich nicht für möglich gehalten", gestand der polnische UEFA-Beobachter Kuston freimütig ein. Sein und vieler anderer Fehler bestand darin, den spanischen WM-Zauber der "Equipe Tricolore" und der in ihr integrierten Tresor, Giresse, Tigana, Girard und Lacombe auf Bordeaux zu übertragen. Die Elf besitzt Glanzpunkte, aber sie hat auch Schwachstellen (Ruffier, Thouvenel, Specht in Drucksituationen fehlerhaft, Memering fast ausschließlich mit Rückwärtspässen auf den freien Mann).

Für die hemmungslose Zeiss-Offensive legten vor allem Weise und überraschenderweise auch Schilling den Grundstein. Der Vorstopper gestattete Müller keine Bewegungsfreiheit, war spritziger, kompromißlos, souverän. Ein Faktor, der Müllers Torgefährlichkeit neutralisierte und sicherlich auch seine Nervenkraft strapazierte. Sein am Pfosten landender Handstrafstoß (Hoppe ritt der Teufel, als er mit der Hand nach dem Leder langte/90.) war der untrügliche Beweis dafür. Nicht minder respektlos machte Schilling dem erfahrenen Lacombe das Leben schwer.

Die Cleverness in der engeren Abwehr schaffte die Freiräume für Schnuphase und Kurbjuweits Vorstöße. Entschlossen nutzte der Libero seine Einschußchancen aus Nahdistanz, erst von Burow und Kurbjuweit, dann erneut von Burow und Bielau vorbereitet. Und als Kurbjuweits 25-Meter-Freistoß (41.) an die Latte krachte, stand die Girondins-Abwehr wie konsterniert.

Die unterschiedlichen Stilvorstellungen beider Kontrahenten sorgten für Klassefußball! Erfreulich bei der Zeiss-Elf: Ihr Druck artete nicht Hektik aus. Tempovariationen hatten Weise, Kaiser, Meixner und Raab (bemerkenswert abgeklärte Partie!) ebenso in petto wie den klugen Wechsel vom Kurz- zum Steilpaß. Natürlich gewannen Kaiser (gegen den pfiffigen Weltklassemann Giresse) und Kurbjuweit (gegen Tigana) nicht jeden Zweikampf. Ihnen das abzufordern, wäre schon der Gipfel der Vermessenheit gewesen. Aber Jena verstand sich sehr wohl auf Raumverengung vor dem eigenen Strafraum sowie auf wuchtige Konter, die Tresor und Specht, Bracchi und Thouvenel zu schaffen machten. Drei Verwarnungen kamen schließlich nicht von ungefähr in den Schiedsrichterbericht des Schweden Ericsson, der mit den gelben Karten posierte wie ein Mime bei einem "Faust"-Monolog.

Jenas drittes Zusammentreffen mit einer französischen Klubelf im EC - vorher 1975/76 Olympique Marseille 3:0, 1:0 und 1977/78 SEC Bastia 2:7, 4:2 - kann nur von Erfolg gekrönt sein, wenn die Zeiss-Städter in Bordeaux mit großer Selbstbeherrschung in Zweikämpfen den raffinierten Tricks, der körperlichen Geschmeidigkeit und den Direktkombinationen der Franzosen begegnen. Giresse und Tigana boten bestechende Proben an, nicht nur beim blitzschnellen Sprint (Tigana) und gefühlvollen Heber (Giresse), der zum Auswärtstor der Girondins führte. Jena ist gewarnt, und eine erkannte Gefahr soll ja bekanntlich stets nur noch eine halbe sein...

(Günter Simon in "Die Neue Fussballwoche" vom 21. September 1982)