2002/2003 15. Spieltag: Hallescher FC - FC Carl Zeiss Jena 0:0: Unterschied zwischen den Versionen

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Trainer: [[Joachim Steffens|Steffens]]
Trainer: [[Joachim Steffens|Steffens]]
==Spielbericht==
'''Mit dem Fanprojekt Jena beim Auswärtsspiel …'''
"Bambule! Randale! wir kommen von der Saale!" Einzug der Jena-Fans ins Hallenser Fußballstadion. Dreihundert Kutten- und Trikotträger, blaugelbe Schals um die Handgelenke geknotet, drängen in den vergitterten Gästeblock. Dauerregen. Die Fans stapfen durch die Wasserlachen auf den rissigen Betonbodenplatten. Noch zehn Minuten bis zum Anpfiff: Hallescher FC gegen FC Carl Zeiss Jena, der Siebte gegen den Dritten der vierten deutschen Fußball-Liga. Die Jenaer wollen einen Sieg für den heiß ersehnten Aufstieg.
Acht Polizisten, bewaffnet mit Schutzkleidung und Schlagstöcken, rücken vom Eingangstor in die Gästekurve und sperren den Durchgang zum Nachbarblock. Mit ernster Mine verfolgt Matthias Stein die Manöver der Polizei. Stein, 38, mit Jeans und grauer Nylon-jacke eine eher unschein-bare Erscheinung zwischen den Fußball-fans, leitet das Fanprojekt Jena, das der Gewalt bei Fußballspielen vorbeugen will. Der gelernte Jurist begleitet die Jenaer Fans zu jedem Spiel. "Die Stimmung kann hier schnell umschlagen. Vor allem auswärts wissen die Polizisten nicht, wie sie mit unseren Fans umgehen müssen. Ich hoffe, heute bleibt es friedlich."
Anpfiff. "Jena! Jena!" Begeisterungsstürme. Die Fans verschwinden unter einem Meer von leuchtenden Fahnen und wirbeln-den Schals. Der rote Qualm einer Rauchbombe vernebelt die Sicht aufs Spielfeld. "Sieg! Sieg!" Die Fans reißen die Arme hoch. Das Banner eines Optimisten fordert "100:0".
Am Kurvenrand entfalten junge Fans ein riesiges Trans-parent: "Ultras gegen Gewalt und Rassismus". Die Ultras sind eine noch junge, deutschlandweite Fanbewegung. Sie verstehen sich als kreative Vorreiter der Fanszene und machen mit selbst entworfenen Bannern, neuen Songs und Pyrotechnik Stimmung in den Stadien. "Ihre Aktionen bereiten die Ultras bei uns im Fanprojekt vor." Matthias Stein deutet auf das Transparent. "Das ist eine Fankultur, die für junge Leute unwahrscheinlich attraktiv ist."
Mitte der ersten Halbzeit. Jena dominiert zwar das Spiel, hat aber kaum Torchancen. Der Regen dringt durch Jacken und Hosen. Die Fans klatschen und singen gegen die Kälte an. Patti zieht sich mit einer Hand den Schal enger um den Hals, mit der anderen hält er sein Bier. Patti, 23, rundes Gesicht und Kinnbart, ist aus Wiesbaden angereist. "Ursprünglich komme ich natürlich aus Jena," sagt er und wischt sich den Regen vom Gesicht. "Aber jetzt bin ich drüben. Wegen dem Job! Aber zu Carl Zeiss komme ich eigentlich immer. Scheiß Wetter!"
39. Minute. Ein Hallenser Spieler grätscht Flügelflitzer Sanchez von hinten in die Beine. Aufschrei. Protest. "Rot!", "Raus die Sau!". Aufgebrachte Jena-Fans springen auf die Absperrung, rütteln am Stahlgitter. Matthias Stein läuft die nassen Stufen hinunter und tippt einem hoch gewachsenen Fan, der vor der Absperrung steht, auf die Schulter. "Hol Deine Leute runter! Wir wollen keinen Stress." Der Schiedsrichter hat inzwischen die gelbe Karte gezogen und die Fans steigen vom Gitter. "Ich pflege ein besonders gutes Verhältnis zu den Fans, die Einfluss haben und auf die die anderen hören," sagt Stein.
Halbzeit. 0:0. Die Fans drängen zu den Bier- und Bratwurstbuden. Der Stadionsprecher liest die Werbung der örtlichen Geschäfte vor. Patti und seine Kumpel langweilt das. "Halt die Fresse!" brüllen sie. Der Sprecher liest weiter.
80. Minute. Noch immer keine Tore. Die Jenaer Spieler stürmen auf das Hallenser Tor, aber ohne Erfolg. "Kämpfen! Kämpfen und siegen!" Die Fans geben noch mal alles. Klatschen, Arme recken, Klopapier werfen. Am Kurvenrand steht eine Gruppe Hooligans. Stämmige Gestalten mit Bomberjacken, Hände in die Hosentaschen gestemmt, Wollmützen in die Stirn gezogen. "Die Jenaer Hooligans sind in erster Linie Fußballfans." Matthias Stein wirft nur einen kurzen Blick zu den Hooligans, die das Geschehen auf dem Spielfeld verfolgen. "Klar, die prügeln sich auch. Aber die verabreden sich mit den Hooligans der anderen Mannschaft. Da holen die sich ihren Kick." Stein kennt die Szene. "Die Hooligans kommen aus allen Schichten. Vom Schüler, über den Arbeitslosen, bis zum Rechtsanwalt ist alles dabei." Die Gewalt bei den Jenaer Spielen hat in den letzten Jahren deutlich abgenommen. Für Matthias Stein ist das auch ein Erfolg des Fanprojekts: "Wir suchen schon frühzeitig den Kontakt zu den Fans und arbeiten mit ihnen. Die Ultras spielen da eine besondere Rolle. Viele junge Fußballfans, die früher in die Gewaltszene abgerutscht sind, gehen heute zu den Ultras."
Abpfiff. Der FC Carl Zeiss Jena hat das Spiel dominiert. Doch Maul und Holetschek vergaben zwei "Hundertprozentige". Deshalb nur 0:0. "Wir steigen trotzdem auf," weiß Patti und schmeißt seinen Bierbecher in die Pfütze. Die Ultras begrüßen die anrückenden Polizisten, die die Fans zum Bus bringen wollen: "Grünweiße Jena-Fans, schanananana..." Fußballer-Humor. Kurz vorm Einsteigen in den Bus Gerangel. Ein Fan hat einen Polizisten gerempelt. Der junge Beamte zerrt den Mittfünfziger mit eingefallenen Augen am Trikot. Der Mann strauchelt. "Der hat bloß zu viel getrunken," erklärt Matthias Stein dem Polizisten und schiebt den protestierenden Fan in den Bus. "Mit der Polizei gibt es oft Ärger." Stein sucht sich einen Sitzplatz. "Manche Polizisten sind richtig heiß. Die erwarten gewalttätige Fans und wollen die wegsperren. Wir versuchen vorher mit den Polizisten zu reden, und Hinweise zu geben. Aber manche lassen sich nichts sagen."
Diesmal ist es friedlich geblieben. Der Fanbus rollt zurück nach Jena. Vorne diskutieren Patti und seine Kumpel noch über die vergebenen Chancen. Hinten schläft der betrunkene Fan seinen Rausch aus. Die Ultras feiern, trotz Unentschieden, schon mal den Aufstieg in Liga 3: "Nie mehr nach Halle! Wir fahren nie mehr nach Halle!"
--VOLKER HAHN


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Version vom 8. November 2007, 12:45 Uhr

Spieldaten
Wettbewerb Oberliga, 15.Spieltag
Saison Saison 2002/2003, Hinrunde
Ansetzung Hallescher FC - FCC
Ort Kurt Wabbel-Stadion in Halle
Zeit Fr. 22.11.02 19:30 Uhr
Zuschauer 2.290
Schiedsrichter Koch (Potsdam)
Ergebnis 0:0
Tore
  • Fehlanzeige
Andere Spiele
oder Berichte

Aufstellungen

Halle
Völkner
Georg
Zimmermannn, Wellington da Luz (56. Große)
Kricke, Klajnszmit, Schädlich, Rehmann, Stark
Riediger, Lesch

Trainer: Dirk Mankowski


Jena
Berbig
Holetschek
Schwabe, Benedetti
Nowotny, Treitl, Manai, Hempel, Maul
Sanchez, Zimmermann (56. Sonnenberg)

Trainer: Steffens


Spielbericht

Mit dem Fanprojekt Jena beim Auswärtsspiel …

"Bambule! Randale! wir kommen von der Saale!" Einzug der Jena-Fans ins Hallenser Fußballstadion. Dreihundert Kutten- und Trikotträger, blaugelbe Schals um die Handgelenke geknotet, drängen in den vergitterten Gästeblock. Dauerregen. Die Fans stapfen durch die Wasserlachen auf den rissigen Betonbodenplatten. Noch zehn Minuten bis zum Anpfiff: Hallescher FC gegen FC Carl Zeiss Jena, der Siebte gegen den Dritten der vierten deutschen Fußball-Liga. Die Jenaer wollen einen Sieg für den heiß ersehnten Aufstieg.

Acht Polizisten, bewaffnet mit Schutzkleidung und Schlagstöcken, rücken vom Eingangstor in die Gästekurve und sperren den Durchgang zum Nachbarblock. Mit ernster Mine verfolgt Matthias Stein die Manöver der Polizei. Stein, 38, mit Jeans und grauer Nylon-jacke eine eher unschein-bare Erscheinung zwischen den Fußball-fans, leitet das Fanprojekt Jena, das der Gewalt bei Fußballspielen vorbeugen will. Der gelernte Jurist begleitet die Jenaer Fans zu jedem Spiel. "Die Stimmung kann hier schnell umschlagen. Vor allem auswärts wissen die Polizisten nicht, wie sie mit unseren Fans umgehen müssen. Ich hoffe, heute bleibt es friedlich."

Anpfiff. "Jena! Jena!" Begeisterungsstürme. Die Fans verschwinden unter einem Meer von leuchtenden Fahnen und wirbeln-den Schals. Der rote Qualm einer Rauchbombe vernebelt die Sicht aufs Spielfeld. "Sieg! Sieg!" Die Fans reißen die Arme hoch. Das Banner eines Optimisten fordert "100:0".

Am Kurvenrand entfalten junge Fans ein riesiges Trans-parent: "Ultras gegen Gewalt und Rassismus". Die Ultras sind eine noch junge, deutschlandweite Fanbewegung. Sie verstehen sich als kreative Vorreiter der Fanszene und machen mit selbst entworfenen Bannern, neuen Songs und Pyrotechnik Stimmung in den Stadien. "Ihre Aktionen bereiten die Ultras bei uns im Fanprojekt vor." Matthias Stein deutet auf das Transparent. "Das ist eine Fankultur, die für junge Leute unwahrscheinlich attraktiv ist."

Mitte der ersten Halbzeit. Jena dominiert zwar das Spiel, hat aber kaum Torchancen. Der Regen dringt durch Jacken und Hosen. Die Fans klatschen und singen gegen die Kälte an. Patti zieht sich mit einer Hand den Schal enger um den Hals, mit der anderen hält er sein Bier. Patti, 23, rundes Gesicht und Kinnbart, ist aus Wiesbaden angereist. "Ursprünglich komme ich natürlich aus Jena," sagt er und wischt sich den Regen vom Gesicht. "Aber jetzt bin ich drüben. Wegen dem Job! Aber zu Carl Zeiss komme ich eigentlich immer. Scheiß Wetter!"

39. Minute. Ein Hallenser Spieler grätscht Flügelflitzer Sanchez von hinten in die Beine. Aufschrei. Protest. "Rot!", "Raus die Sau!". Aufgebrachte Jena-Fans springen auf die Absperrung, rütteln am Stahlgitter. Matthias Stein läuft die nassen Stufen hinunter und tippt einem hoch gewachsenen Fan, der vor der Absperrung steht, auf die Schulter. "Hol Deine Leute runter! Wir wollen keinen Stress." Der Schiedsrichter hat inzwischen die gelbe Karte gezogen und die Fans steigen vom Gitter. "Ich pflege ein besonders gutes Verhältnis zu den Fans, die Einfluss haben und auf die die anderen hören," sagt Stein.

Halbzeit. 0:0. Die Fans drängen zu den Bier- und Bratwurstbuden. Der Stadionsprecher liest die Werbung der örtlichen Geschäfte vor. Patti und seine Kumpel langweilt das. "Halt die Fresse!" brüllen sie. Der Sprecher liest weiter.

80. Minute. Noch immer keine Tore. Die Jenaer Spieler stürmen auf das Hallenser Tor, aber ohne Erfolg. "Kämpfen! Kämpfen und siegen!" Die Fans geben noch mal alles. Klatschen, Arme recken, Klopapier werfen. Am Kurvenrand steht eine Gruppe Hooligans. Stämmige Gestalten mit Bomberjacken, Hände in die Hosentaschen gestemmt, Wollmützen in die Stirn gezogen. "Die Jenaer Hooligans sind in erster Linie Fußballfans." Matthias Stein wirft nur einen kurzen Blick zu den Hooligans, die das Geschehen auf dem Spielfeld verfolgen. "Klar, die prügeln sich auch. Aber die verabreden sich mit den Hooligans der anderen Mannschaft. Da holen die sich ihren Kick." Stein kennt die Szene. "Die Hooligans kommen aus allen Schichten. Vom Schüler, über den Arbeitslosen, bis zum Rechtsanwalt ist alles dabei." Die Gewalt bei den Jenaer Spielen hat in den letzten Jahren deutlich abgenommen. Für Matthias Stein ist das auch ein Erfolg des Fanprojekts: "Wir suchen schon frühzeitig den Kontakt zu den Fans und arbeiten mit ihnen. Die Ultras spielen da eine besondere Rolle. Viele junge Fußballfans, die früher in die Gewaltszene abgerutscht sind, gehen heute zu den Ultras."

Abpfiff. Der FC Carl Zeiss Jena hat das Spiel dominiert. Doch Maul und Holetschek vergaben zwei "Hundertprozentige". Deshalb nur 0:0. "Wir steigen trotzdem auf," weiß Patti und schmeißt seinen Bierbecher in die Pfütze. Die Ultras begrüßen die anrückenden Polizisten, die die Fans zum Bus bringen wollen: "Grünweiße Jena-Fans, schanananana..." Fußballer-Humor. Kurz vorm Einsteigen in den Bus Gerangel. Ein Fan hat einen Polizisten gerempelt. Der junge Beamte zerrt den Mittfünfziger mit eingefallenen Augen am Trikot. Der Mann strauchelt. "Der hat bloß zu viel getrunken," erklärt Matthias Stein dem Polizisten und schiebt den protestierenden Fan in den Bus. "Mit der Polizei gibt es oft Ärger." Stein sucht sich einen Sitzplatz. "Manche Polizisten sind richtig heiß. Die erwarten gewalttätige Fans und wollen die wegsperren. Wir versuchen vorher mit den Polizisten zu reden, und Hinweise zu geben. Aber manche lassen sich nichts sagen."

Diesmal ist es friedlich geblieben. Der Fanbus rollt zurück nach Jena. Vorne diskutieren Patti und seine Kumpel noch über die vergebenen Chancen. Hinten schläft der betrunkene Fan seinen Rausch aus. Die Ultras feiern, trotz Unentschieden, schon mal den Aufstieg in Liga 3: "Nie mehr nach Halle! Wir fahren nie mehr nach Halle!"

--VOLKER HAHN