1977/1978 EC III 5. Spiel: FC Carl Zeiss Jena - Standard Lüttich 2:0

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Spieldaten
Wettbewerb EC III, Achtelfinale Hinspiel
Saison Saison 1977/1978
Ansetzung FC Carl Zeiss Jena - Standard Lüttich
Ort Ernst-Abbe-Sportfeld
Zeit Mi. 23.11.1977 17:00
Zuschauer 12.000
Schiedsrichter Martinez (Spanien)
Ergebnis 2:0
Tore
Andere Spiele
oder Berichte

Aufstellungen

Trikotfarben
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Jena
Detlef Zimmer
Ulrich Oevermann
Gert Brauer, Konrad Weise, Dieter Noack (69. Andreas Krause)
Rüdiger Schnuphase, Lutz Lindemann, Dietmar Sengewald
Thomas Töpfer, Lothar Kurbjuweit, Eberhard Vogel

Trainer: Hans Meyer

Trikotfarben
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Lüttich
Christian Piot
Philippe Garot
Eric Gerets, Theo Poel, Michel Renquin
Christian Labarbe, Gyula Visneyi (46. André Gorez), Helmut Graf, Asgeir Sigurvinsson
Harald Nickel, Alfred Riedl

Trainer: Robert Wasseige

Spielbericht

Standard in der Falle

In der belgischen Presse, die in Jena durch 25 Journalisten von 15 Zeitungen vertreten war, rauschte es förmlich nach dem 0:2 von Standard, "das von uns vorher überhaupt nicht in Erwägung gezogen wurde", bekannte tiefenttäuscht Klub-Präsident C. Huriaux. "Nach Molenbeek lief nun auch Standard in die Jenaer Falle", schrieb "Nieuwsblad. "Het Volk" fragte: "Wurde der FC Carl Zeiss erneut unterschätzt?" Und "Les Sports" meinte: "In der ersten Hälfte hätte Tormann Zimmer Tee trinken gehen können. Er wurde nicht einmal ernsthaft geprüft."

Auch Standard-Trainer Robert Wasseige, Augenzeuge des 0:3 von Jena beim BFC, stand der Niederlage ein wenig fassungslos gegenüber.. "Ich wußte, die Jenaer können mehr als sie in Berlin zeigten. Aber diese Leistungssteigerung hatte ich ihnen nicht zugetraut. Meine Anerkennung!" In der Tat, die Thüringer können diesen Sieg mit Rotstift in ihre jetzt 51 Spiele umfassende Europacup-Statistik eintragen. Denn mit dem sechsfachen belgischen Titelträger wurde nicht irgendwer bezwungen. Die Lütticher wollen nämlich nicht nur in der Meisterschaft hoch hinaus, in der sie neben dem RSC Anderlecht und dem FC Brügge der dritte heiße Titelanwärter sind, sondern "wir haben auch im UEFA-Cup große Pläne, auch nach diesem 2:0", erklärte Manager D. Marcowicz unumwunden. Er hatte in den letzten Jahren tief in die Klubkasse gegriffen, und die Mannschaft verstärkt. In Jena spielten mit Nickel und Graf aus der BRD, mit dem Österreicher Riedl, dem Isländer Sigurvinsson und Visney (USA) fünf Ausländer dazu standen in der Abwehr mit Piot (40 A-Spiele), Gerets und Renquin drei belgische Nationalspieler.

Daß diese clevere Profi-Elf, deren individuelle und spieltechnische Vorteile unbestritten waren, vor allem in der ersten Halbzeit überhaupt nicht zum Zuge kam, einfach nicht ihren Rhythmus fand, war auch der Verdienst des Jenaer Trainerkollektivs um Hans Meyer. Ausgehend von den Spielbeobachtungen tüftelte es offensichtlich die richtige taktische Marschroute aus, die von der Mannschaft ("die keinen schwachen Punkt besaß" so Helmut Stein) mit enormer Willensstärke und Moral, mit hoher Tempo-, Lauf- und Einsatzbereitschaft vorzüglich umgesetzt wurde. Von spielentscheidender Bedeutung aber waren wohl folgende Punkte:

1. Die bewundernswert konzentrierten Leistungen aller Abwehrspieler! Sie stellten mit Weise den überragenden Akteur. Er und Brauer meldeten die kreuzgefährliche Doppelspitze Riedl-Nickel, die mit je zehn Treffern die belgische Torschützenliste anführen, nahezu restlos ab.

2. Die imponierende Leistung von Kurbjuweit, der nicht zufällig mit einem energischen Solo den Strafstoß und damit die Spielentscheidung erzwang. "Er spielte einen großartigen Mittelstürmer, hielt geschickt die Bälle und sorgte mit seiner Antrittsstärke immer wieder für Unruhe in der Standard-Abwehr", urteilte sein Vorgänger Peter Ducke.

3. Das geschickte Wechselspiel zwischen Vogel und Sengewald, das von den Gästen lange nicht unter Kontrolle gebracht werden konnte. Denn wenn sich Vogel zurückfallen ließ, dann schuf das blitzschnelle Vorprellen von Sengewald, auch das von Noack, von Weise, Schnuphase, Brauer und Oevermann, ständig neue Gefahrenherde in der Lütticher Abwehr.

4. Die tadelsfreie Leistung von Torhüter Zimmer, der nach der Pause mit tollen Reaktionen und blitzschnellem Heraustreten seine Elf vor dem Ausgleich bewahrte. Innerhalb von zehn Minuten rettete er bravourös gegen Nickel, Riedl, Gorez und Labarbe, und Riedls Kopfball prallte nach der ersten Standard-Ecke (51.) an den Pfosten.

In diesen 25 Minuten nach der Pause spielten die Gäste nahezu entfesselt, banden die Jenaer stark in deren Hälfte, wiesen eindrucksvoll ihre Klasse nach. Imponierend, wie blitzschnell und dabei ballsicher die Mannschaft nun ihre Angriffe aufzog und Wirkung erzielte. Hier ließ sie ahnen, was die Zeiss-Städter am 7. Dezember in Lüttich erwarten wird! Jetzt trat vor allem Sigurvinsson stärker in Erscheinung, der lange von Schnuphase gut kontrolliert wurde. Labarbe, Renquin, auch Gerets und der eingewechselte Gorez bekamen plötzlich Raum und nutzten ihn mit wuchtigen Vorstößen. Und nun zeigten auch Riedl und Nickel, daß ihr Ruf als Torjäger seine Berechtigung hat.

"Dennoch ist der Jenaer Sieg verdient. Sie besaßen für mich den stärkeren Siegeswillen. Sie kontrollierten vor der Pause klar das Geschehen, spielten imponierend auf, und sie bekamen das Spiel auch in den letzten 20 Minuten wieder in die Hand", urteilte UEFA-Beobachter Fritz Seipelt, der vom Jenaer fuwo-Mitarbeiter Peter Palitzsch auf ein denkwürdiges Ereignis angesprochen wurde. Der Österreicher leitete nämlich den ersten Jenaer Europacup-Auftritt am 16. Oktober 1961 in Linz gegen Swansea Town. Bei diesem 2:2-Spiel wirkte übrigens auch der heutige Klubvorsitzende Hilmar Ahnert mit, der dieses 2:0 als "wertvoll und kaum erhofft" einstufte. "Vor allem unsere jungen Burschen werden von ihm profitieren. Ich hoffe, wir können beim Rückspiel in Lüttich an die Leistung aus der ersten Halbzeit anknüpfen." Wenn den Jenaern dieses Kunststück gelingen sollte, dann haben sie tatsächlich eine reale Chance, Standard in der Falle zu behalten!

(Klaus Thiemann in "Die Neue Fußballwoche" vom 29. November 1977)

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