1957 03. Spieltag: SC Einheit Dresden - SC Motor Jena 0:0
Spieldaten | |
Wettbewerb | DDR-Oberliga, 3. Spieltag |
Saison | Saison 1957, Hinrunde |
Ansetzung | SC Einheit Dresden - SC Motor Jena |
Ort | Heinz-Steyer-Stadion in Dresden |
Zeit | So. 31.03.1957 16:00 Uhr |
Zuschauer | 20.000 |
Schiedsrichter | Helmut Becker (Halberstadt) |
Ergebnis | 0:0 |
Tore |
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Aufstellungen
- Dresden
- Wolfgang Großstück
- Christoph Albig, Wolfgang Pfeifer, Werner Jochmann
- Manfred Hansen, Heinz Nicklisch (75. Bodo Knappe)
- Werner Prenzel, Felix Vogel, Harry Arlt, Lothar Müller, Eberhard Petersohn
Trainer: Hans Siegert
- Jena
- Harald Fritzsche
- Georg Buschner, Karl Oehler, Rolf Hüfner
- Günter Rahm, Klaus Gablick (60. Horst Kirsch)
- Helmut Müller, Roland Ducke, Walter Eglmeyer, Gerhard Pfeiffer, Karl Schnieke
Trainer: Hans Warg
Spielbericht
Albig legte Jenaer "Sturmgehirn" lahm
Mit dem Abpfiff rißen elf überglückliche Jenaer die Arme in die Höhe - ein Punkt in der "Höhle des Löwen" war nach einem harten Kampf, der vor allem an Kraft und Konzentration von dem Oberliga-Neuling das Letzte verlangte, glücklich errungen. Wenn ich glücklich sage, dann mögen 11 Ecken für den SC Einheit gegen keine der Jenaer eine beinah anhaltende Überlegenheit der Dresdener und einige für die Gäste günstige Schiedsrichterentscheidungen der Beweis dafür sein. In der Kabine der Dresdener haderte man mit Becker, der wenigstens zwei Elfmeter hätte geben müssen, beim SC Motor Jena war davon natürlich nicht die Rede.
Aber auch aus Trainer Wargs Worten ("auch ein wenig Glück gehört nun mal zum Fußball, wir sind heilfroh über diesen goldenen Punkt") klang heraus, daß Schiedsrichter Becker nicht immer eine glückliche Hand hatte. Meine Meinung dazu: Becker hat das temperamentvolle Spiel im großen und ganzen gut über die Runden gebracht, sein Fehler, daß er oft zu weit vom Ball entfernt war und deshalb nicht immer den richtigen Einblick hatte. Was er aber von seinem Standort aus entschied, war aus seiner Perspektive aus gesehen in Ordnung! Schon nach kurzer Zeit sollten Hans Wargs Worte, die er mir vor dem Spiel sagte, Wahrheit werden: "Für uns kommt heute ein sehr, sehr schwerer Gang. Es ist die erste große Bewährungsprobe in der Oberliga." Die Dresdener warteten nämlich nicht, bis sich die Gäste "eingewöhnt" hatten, sondern gingen mit großer Konzentration und unerhörtem Ehrgeiz an ihre Aufgabe heran. Natürlich wußte man von den technischen Vorzügen der Jenaer Spieler und von der Gefährlichkeit ihrer Angriffe. Und so lautete die Devise: Hart an den Mann, ihn schon bei der Ballannahme stören. Albig hatte den Spezialauftrag Regisseur Schnieke auszuschalten, das gelang ihm so gut, daß der gute Karli bald "keinen Ball mehr sah". Es wird ihm nicht so oft so schlecht ergangen sein, wie am Sonntag in Dresden. Schniekes Ausfall machte sich natürlich stark bemerkbar, zumal sich gerade in diesem Spiel deutlich zeigte, daß die technisch großartigen "Youngster" Ducke, Müller, Eglmeyer der lenkenden Hand bedürfen. So ist also von Jenas Sturm, auch wenn er anfangs noch einige passable Züge zustande brachte und ums Haar auch ein Tor geschossen hätte, nichts Rühmendes zu berichten. Übrigens die Großchancen: In der 50. Minute säbelte der weit aufgerückte Pfeifer über den Ball, wie der Blitz war Eglmeyer vorbei und steuerte mutterseelenallein Großstück an. Doch der "Lange" rückte ihm entgegen und ließ sich durch Eglmeyers "Heber" nicht überlisten. Die Chancen der Dresdener waren zahlreicher. Überwiegend im Angriff liegend, nahmen Arlt, Prenzel, Vogel, Petersohn und Müller den tüchtigen Fritzsche stark unter Beschuß. Mit fließenden Kombinationen war jedoch auch auf der Dresdener Seite nicht viel Staat zu machen, denn Jena hatte beide Läufer zurückgezogen und verteidigte unter der hervorragenden Regie von Oehler mit gro0em Einsatz und recht viel Geschick. Hinzu kamen einige tolle Paraden von Fritzsche. Vogels Hackentrick brachte Arlt in Schußposition, dessen Linksschuß pfiff in die rechte Ecke. Wie ein Panther flog Fritzsche zum Ball und lenkte ihn zur Ecke. Oder: Wieder servierte Vogel dem nach innen durchpreschenden Prenzel den Ball - Schuß - Tor - nein, gehalten. Fritzsche spreizte seine Beine zum artistischen Spagat und lenkte die rot-gelbe Kugel zur Ecke. Und eine dritte große Rettungstat verhinderte ein schon sicher scheinendes Tor von Müller, der hoch ins linke Eck feuerte. Diesmal hatte Fritzsche die Faust dazwischen! Das besondere Merkmal dieses unerhört temposcharfen Kampfes: auf beiden Seiten wurde kaum ein Angriff mit Läuferunterstützung vorgetragen. Die Dresdener waren durch die spezielle taktische Aufgabe für Albig gezwungen, Läufer Hansen mehr als Verteidiger spielen zu lassen. Nicklisch, der an an Hansens Stelle konstruktiv hätte tätig sein müssen, fand sich in dieser Rolle gar nicht zurecht. Ihm mangelte es doch sehr an Überblick und gutem Zuspiel. So nimmt es denn auch nicht wunder, daß die Stürmer schließlich überfordert wurden und gegen Ende an Kraft und Konzentration einbüßten.
Bei den Gästen lag die Sache etwas anders. Beide Läufer kamen einfach nicht dazu, "ihr" Spiel zu entfalten, sie wurden gezwungen, hinten auszuhelfen. So sah das sonst so wohlgefügte und abgrundete Spiel des SC Motor Jena oft nach Stückwerk aus, wenngleich immer wieder die gute technische Durchbildung aller Spieler auffiel. Die "rauhe Luft" in diesem typischen Fighterkampf ließ sie viel von ihrer sonstigen Sicherheit und Ruhe missen. Immerhin: Noch ein halbes Dutzend solcher Spiele und der Neuling hat sich akklimatisiert!
Trotz des torlosen Ausgangs war genügend "Salz und Pfeffer" drinnen. Die 20.000 gingen begeistert mit und sparten bei den rassigen Zweikämpfen, den dramatischen Torraumszenen nicht mit Beifall. Der Beweis ist erneut gegeben, daß Ehrgeiz und Wille zur Leistung das Fußballspiel sehenswert machen können, auch wenn keine Tore fallen. Das Zurücktreten der technischen Belange, was allgemein bei dem "technischen" Ruf beider Mannschaften etwas verwunderte (sich dann aber, wie oben aufgeführt, durchaus erklärte), war für den Betrachter kein ausgesprochenes Manko. Dieses Spiel offenbarte, daß unsere Mannschaften, zumal der SC Einheit, ihrer vollen Leistungsfähigkeit näherkommen.
(Rolf Dietz in "Die Neue-Fußballwoche" vom 2. April 1957)