1982/1983 23. Spieltag: FC Carl Zeiss Jena - FC Rot-Weiß Erfurt 6:0

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Spieldaten
Wettbewerb DDR-Oberliga, 23. Spieltag
Saison Saison 1982/1983, Rückrunde
Ansetzung FC Carl Zeiss Jena - FC Rot-Weiß Erfurt
Ort Ernst-Abbe-Sportfeld
Zeit Sa. 07.05.1983 15:00 Uhr
Zuschauer 15.000
Schiedsrichter Manfred Bahrs (Leipzig)
Ergebnis 6:0
Tore
Andere Spiele
oder Berichte

Aufstellungen

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Jena
Hans-Ulrich Grapenthin
Rüdiger Schnuphase
Gert Brauer, Gerhardt Hoppe, Lothar Kurbjuweit
Andreas Krause (75. Thomas Töpfer), Stefan Meixner, Thomas Ludwig
Andreas Bielau, Jörg Burow, Martin Trocha (75. Jürgen Raab)

Trainer: Hans Meyer

Erfurt
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Michael Oevermann
Bernd Nemetschek
Hans-Joachim Teich, Klaus Goldbach, Carsten Sänger
Martin Iffarth (46. Jörg Hornik), Andreas Winter, Josef Vlay
Armin Romstedt, Jürgen Heun, Martin Busse (71. Andreas Thon)

Trainer: Siegmar Menz

Grapenthin rettet mit Kurbjuweit gegen Iffarth

Spielbericht

Der "Alten Garde" nachgeeifert

Jenas "Alte Garde", die Ducke-Brüder, dann Irmscher, Stein, Blochwitz, Schlutter, Vogel, Müller usw., die fast auf den Tag genau vor 20 Jahren den ersten Titel, 1968 und 1970 die nächsten ins Ernst-Abbe-Stadion geholt hatten, stimmte unter der Stabführung von Georg Buschner im Vorspiel nicht nur die 15 000 Zuschauer richtig ein. Ihr Auftritt erwies sich offensichtlich auch als Spritze für die Elf vom Jahrgang 1983.

"Bei uns paßte diesmal einfach alles zusammen", strahlte Jürgen Raab. Er, bisher Jenas bester und stabilster Stürmer, wagte wegen eine Blessur am Knie nicht den Einsatz von Beginn an. Aber als er kam, bereitete er mit dem ersten Ballkontakt per Dribbling den prächtigen Kopfballtreffer von Meixner vor, "der die erhebliche Steigerung von Stefan belohnte", freute sich Trainerassistent Helmut Stein. Schnuphase setzte schließlich den Schlußpunkt mit einem 22-Meter-Schuß, der Oevermann durch die Hände rutschte.

"Dennoch traf ihn die wenigste Schuld." Wolfgang Benkert nahm seinen Vertreter in Schutz. Der Schlußmann parierte zuvor einige Knallbonbons von Burow, holte selbst einen noch abgefälschten Schnuphase-Freistoß aus der unteren Ecke (9.), war aber dann gegen die Torflut machtlos.

Es traf die Erfurter, die den hohen Erwartungen nervlich ganz einfach nicht gewachsen waren, bis ins Mark. Zwar bäumten sie sich vornehmlich in der ersten Phase energisch auf (Heun, Winter, Sänger, Vlay), besaßen auch gute Szenen im Vorwärtsgang durch Vlay(7.), Winter(29.), Heun (33.), aber auf die Dauer waren sie dem Schneid, dem Feuer der Platzherren einfach nicht gewachsen.

Die bestätigten wieder einmal im entscheidenden Moment ihre enorme Steigerungsfähigkeit, "wirkten einfach bissiger, wuchtiger und entschlossener. Außerdem spielten sie ihre klaren Vorteile in der Zweikampfgestaltung resolut aus", urteilte DFV-Trainer Bernd Stange.

Nach Nemetscheks schwerem Fehler, den Krause-Bielau zum 3:0 nutzten, klappten die Gäste förmlich zusammen. Jenas glanzvoller Sieg aber basierte nicht zuletzt auch auf dem Schwung der jungen Burschen von Krause, Meixner, Ludwig, Bielau bis hin zu Burow, der seine Schußqualitäten mit zwei Prachttreffern unterstrich. Heun aber verzog selbst einen Strafstoß (84.). Auch daß paßte bei den Erfurtern ins Bild, in dem diesmal eben nichts paßte. Andreas Bielau wurde von der FUWO zum Spieler des Tages gewählt .

(Klaus Thiemann in "Die Neue Fussballwoche" vom 10. Mai 1983)

NWOL 1:1 - Tore : Rost / Fehrenbacher

Jena : Bräutigam , Böttner , Oevermann , Hüttl , Hegeholz , Asmus ( 55. Zenkner) , Kulb (46.Zimmermann) , Dern , Ullrich , U. Burow , Rost

14.5. Jugend / Junioren - Halle : Jena 2:2 / 2:2 - Jugend wird 6. / Junioren 10.und Vorletzter

Zur Derbyeinstimmung: Armageddon 1983

(Erschienen als Vorbericht zum Derby im Dezember 2011.)

Als Jenas Spieler noch Eier hatten, da begab es sich, dass der immerwährende Kampf zwischen Gut und Böse zu einer denkwürdigen Schlacht führte, von der Generationen später noch zu berichten ist. Man schrieb den 7. Mai 1983, es war vier Spieltage vor dem Oberligafinale und allerorts rüstete man zum letzten Gefecht. Für Jena galt es den Europacup-Platz zu verteidigen und das ausgerechnet gegen Mordor. So wie die Trottel vom Steigerwald heute vom Zweitligaaufstieg schwadronieren, wollten sie damals tatsächlich in die große Fußballwelt und deshalb war es nicht nur ein Kampf um zwei Punkte sondern um die Ehre. Dank Jena sprach man in Europa mit Achtung vom Thüringer Fußball, nun musste verhindert werden, dass dieser Ruf durch Mordors Stümper besudelt wird.

Zur Winterpause lagen die Orks als Dritter noch vor dem FCC. Jetzt trennten sie 2 Punkte und 4 Tore von Thüringens Renommierclub, und diese 2 Punkte wollte sich das Böse direkt im Paradies holen. Die Zeichen dafür schienen günstiger als je zuvor. Seit September 1977 hatte es im Derby keinen Thüringer Sieg mehr im Paradies gegeben. In Jenas großem Europacup-Jahr 1980/81 war sogar das Unfassbare geschehen: Die Orks gewannen zum zweiten Mal seit 1962 an den Kernbergen gegen einen FCC, dem wenige Tage nach der 3:1-Gala gegen Valencia die Kraft fehlte, Mordor wie gewohnt an den Katzentisch zu weisen. Diese Niederlage schmerzte bei mir ein Jahr später noch so sehr, dass ich bei der Neuauflage des Spiels im Spätherbst 1981 nichts anderes gelten lassen wollte als eine sportliche Vernichtung der Orks. Doch ich wurde bitter enttäuscht, denn eine Viertelstunde vor dem Ende führte das Böse 2:0. In den Hunderten von Spielen meines Lieblingsvereins, die ich in den vergangenen gut 30 Jahren besuchte, gibt es nicht mal eine Handvoll, wo ich vor dem Abpfiff das Stadion verließ, doch damals floh ich lange vor dem Ende aus dem EAS, so fassungslos war ich. Selbst als ich im Fortgehen den Jenaer Anschlusstreffer vernahm und später im Radio erfuhr, dass der FCC noch zum 2:2 ausglich, konnte mich das nicht trösten. Der Wunsch nach Rache blieb unerfüllt ...

Und dieser Wunsch war anderthalb Jahre später stärker denn je, nicht nur bei mir. Das EAS war berstend voll, wie damals immer zu Armageddon. Das Böse war mit all seinen Herrscharen nach Jena gezogen, von der großen Zahl der Orks kündete bereits von weitem eine riesige Wolke asigen Odems, die über dem Gästeblock waberte, wo man sich siegessicher gab und wie gewohnt die große Fresse hatte. Vor dem Match liefen noch Jenas einstige Heroen aufs Feld. Im Gedenken an den ersten Titelgewinn vor 20 Jahren spielten Helden der früheren Meistermannschaften gegeneinander; für mich, der ich 1979 mit meinen Eltern in die DDR gezogen war, die einmalige Chance, jemanden wie Peter Ducke live zu sehen. Es waren nur ein paar Minuten, aber seine Art, seine Eleganz faszinierte mich, und Ducke wäre nicht Ducke, hätte er nicht auch in diesem Match mit dem Schiri diskutiert. Der Hauch einer großen Zeit lag über dem EAS. Noch ahnte keiner von dem Sturm, der bald durchs Paradies fegen sollte.

Am wenigsten die Orks. Kaum war der Ball frei, da quiekte und grunzte es schon im Gästeblock, denn Mordor marschierte sofort voran, die blaugelbweiße Festung zu überrennen. Aber Jenas Mannen hielten dem ersten Ansturm stand und als die Orks in ihrer Hybris alles nach vorn warfen, konterte der FCC. Ein weiter Pass nach rechtsaußen auf Bielau verleitete Mordors Ersatzkeeper Oevermann zu einem unmotivierten Kurztrip in Richtung Kernberge, der Blitz aus Zwigge war schneller am Ball und schob ein zur Thüringer Führung. 1:0 Jena. Mordor nur kurz geschockt, im Gegenzug fast der Ausgleich, eh Jena wieder dagegen hielt. Auf beiden Seiten ließ man die Rüstung fallen, es ging nur vorwärts hüben wie drüben. Dann Freistoß für Jena kurz vorm Erfurter Strafraum. Stände ein Cristiano Ronaldo für den FCC auf dem Feld, er hätte damals zurücktreten müssen, denn für Freistöße gab es einen Jörg Burow in Jena. Burow war mehr Schlampe als Genie, doch heute kämpfte er um den Fußballnobelpreis. Aus 20 Metern landet der Ball mit links im Toreck: Thüringen führt 2:0.

Doch selbst jetzt gibt Mordor nicht klein bei. Wie ein waidwunder Schakal versucht Rot-Weiß den FCC zu fassen. Ihre Adepten im Gästeblock fauchen die Orks nach vorne. Bis zur Pause geht es hin und her. Der Anschluss, selbst der Ausgleich für Mordor scheint möglich. Nach dem Wechsel starten die Orks ihre Ardennenoffensive. Sie rennen an auf Grapenthins Tor, hinter dem sich die Brut des rot-weißen Unrats versammelt hat. Die Orks wissen, dass die Zeit für Jena läuft, sie ahnen, dass die Gerechtigkeit im Fußball, der sie sich lange entziehen konnten, heute in Thüringen einziehen wird. Und dann verlieren sie die Nerven. Ein rot-weißer Abwehrtrottel erinnert sich, dass neben Jena der Ball eigentlicher Erzfeind des Erfurter Fußballs ist, er verliert die Pille an Eisenfuß Andy Krause, von dem kommt der Ball zu Bielau und der macht sein zweites Tor für Jena. DREI zu NULLLLLL!!!!!

Jetzt ist Mordor geschlagen, jetzt hält der FCC Gericht. Die Orks stümpern hilflos über den Platz, sie werden gejagt von einem Jena, das Mordor zerschmettern will. Entsetzen im Gästeblock. Wo man sich Minuten vorher noch gegenseitig zu übertrumpfen suchte, wer der blaugelbweißen Götter am besten lästern könne, herrscht nur noch Heulen und Zähneknirschen. Die ersten fliehen bereits. Und ihnen folgen immer mehr. Die Flucht wird zur wilden Panik, als Burow die Pille in der 71. Minute wieder auf den linken Schlappen kriegt. Er umschmeichelt den Ball, er liebkost ihn, die Orks glotzen nur blöde und sehen ungläubig, wie die Kugel mit Außenrist im Torwinkel landet: VIER zu NULLLL!

Es ist kein Spiel mehr, denn Mordor wird wie eine schlachtreife Sau durchs Dorf getrieben. Die Großmaulschminke verläuft bei den Orks und lässt sie als geborene Loser erkennen. Bei Jena tut sich Wundersames. Eine Flanke von Raab fliegt in den Erfurter Strafraum, dorthin wo der Raabe eigentlich selber stehen würde, aber an seiner Stelle ist nur Stefan Meixner. Es geschieht Unglaubliches: Jenas Frolleinwunder wagt das Äußerste, steigt zum Kopfball hoch und riskiert dabei, seine Dauerwelle zu ruinieren. Es ist wirklich ein Tag, wo man zu höchsten Opfern bereit ist. FÜNF zu NULL für Jena! Volksfeststimmung im EAS! Ork-Ballern für jedermann! Nur Schnuppi hat noch nicht getroffen. Zwei Minuten nach dem 5:0 ist es dann soweit: Irgendwie an Dutzenden Abwehrbeinen vorbeisausend schlägt der Ball wieder bei Oevermann ein und Jenas Haudegen findet mit diesem Tor endlich Genugtuung für seine versaute Jugend in Stümperfurt.

Das halbe Dutzend ist voll. Der Fußballgott liebt Thüringen wieder. Aber das Spiel ist noch nicht zu Ende. Ein Pfiff ertönt. Elfmeter für die Orks. Das Böse wird nicht mehr obsiegen, so viel ist klar, aber als letztes Zeichen seines Aufbegehrens droht Jenas blütenreines blaugelbweißes Antlitz eine hässliche Narbe zu erhalten durch die eitrige Pranke Mordors. Für kurze Zeit ist es wieder still im Paradies, selbst die Orks halten inne mit ihrem Grunzen. Heun wird den Elfmeter ausführen, Mordors Kapitän. Ihn mag man besonders in Jena, der Volksmund hat für Heun sogar einen lustigen Reim auf seine Rückennummer gedichtet, denn Heun steht für die lange und später durch Ronny Hebestreit gekrönte Tradition des Erfurter Fußballs, nur die Klügsten und Besten zum Führer einer Mannschaft zu erwählen, deren Markenzeichen seit jeher eine beispiellose intellektuelle Strahlkraft ist, die einen Dirk Orlishausen noch Jahrzehnte später ins Schwärmen brachte.

So trat er denn an, der Lothar Matthäus des Ostens, und bei jedem seiner Schritte merkte man, wie tief die Wut saß über die Demütigung, die er in den 80 Minuten zuvor erfahren hatte. All diese Gefühle wollten sich jetzt einen Weg bahnen und so drosch Heun den Ball nicht nur mit aller Wucht auf Grapenthins Tor, sondern auch mit einem solchen Augenmaß und einer solchen Überlegung, wie man sie eben von jemandem erwarten kann, der später von den Orks zu Mordors Fußballer des Jahrhunderts gewählt wurde und der auch nach dem Ende seiner sportlichen Laufbahn auf der beruflichen Karriereleiter steil empor kletterte und als Fahrer eines Postzustelldienstes reüssierte; gemessen an Erfurter Maßstäben ein kometenhafter Aufstieg.

Heuns Ball flog auf den Jenaer Kasten zu, hoch geschossen, in Richtung der wenigen verbliebenen Orks, die noch in der Gästekurve ausharrten. Die wollten das Ehrentor beschreien, doch das Leder zappelte nicht im Netz sondern sauste über ihre Köpfe hinweg und so konnten sie Zeugen werden, wie ihr Kapitän Eingang fand in die Annalen der Raumfahrt als erster Mensch, der sich daran versuchte, einen Fußball auf eine intergalaktische Umlaufbahn zu befördern. Ohrenbetäubender Jubel füllte das Paradies, fast lauter als bei den Toren, denn dieser Treffer war nicht wie der Punkt auf sondern wie der Strich unter dem „i“, der Ausweis völligen, absoluten Versagens der Orks, das ultimative Zeichen, dass der Gott des runden Leders sie zu nichts anderem erkoren hat, als Gespött zu sein für alle Freunde des Thüringer Fußballs.

Das begriffen nun auch die Verbohrtesten und Verblendetsten in der Gästekurve und trollten sich alsbald von dannen, zurück in ihre beschämend doktrinäre Enklave, wo man bis zum heutigen Tag nicht müde wird, Jenas gottgewollte Rolle als Nr. 1 im Thüringer Fußball in Frage zu stellen und gleichzeitig verbissen festhält an den Lügen von Zwangsdelegierungen und Benachteiligungen durch die Sportfunktionäre, um die historische Nichtigkeit des Vereins zu rechtfertigen, anstatt mit sich selbst ins Gericht zu gehen und sich mutig einzugestehen, dass man bei der Wahl seines Lieblingsclubs ziemlich ins Klo gegriffen hat.

Mordors Fans folgten kurz darauf die Erfurter Spieler, und wie sie so vom Platz schlichen, die Buxen randvoll und mit den Tränen kämpfend, da schienen sie mehr als ein Match verloren zu haben und in der Folge den EC-Startplatz (Mordor scheiterte am schlechteren Torverhältnis). Sie wirkten für alle Zeit gebrochen, außer Stande, sich je wieder gegen Jena erheben zu können. Doch darin sollte ich irren und so steht jede Generation von Jenaer Spielern immer wieder von Neuem vor der Aufgabe, die Orks zu lehren, wo ihr Platz in Fußballthüringen ist. Das gelang zu selten in den letzten Jahres, aber wer immer jetzt einwenden mag, dass heuer andere Zeiten sind als im Mai 1983, der sei daran erinnert, was ein halbes Jahr nach diesem 6:0 geschah: Jena lag am Boden, war zur Winterpause punktgleich mit dem Tabellenletzten, eine leichte Beute für jeden, der ins Paradies reiste. Das dachten sich auch die Orks, sie hatten wieder die große Fresse und glaubten die Punkte aus Jena schon sicher. Doch der FCC, der zwei Drittel seiner Heimspiele zuvor verloren hatte, zeigte die Zähne und holte den Knüppel aus dem Sack. Es setzte ein 3:0 für die Großmäuler aus Mordor. Es war an einem Samstag, an einem 17. Dezember; ein Datum, wie geschaffen, um den Orks Respekt einzubläuen.

--Al Knutone