2003/2004 14. Spieltag: FV Dresden-Nord - FC Carl Zeiss Jena 1:4

Aus FCC-Wiki - Wiki vom FC Carl Zeiss Jena
(Weitergeleitet von 03/04 14)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Spieldaten
Wettbewerb Oberliga, 14.Spieltag
Saison Saison 2003/2004, Hinrunde
Ansetzung FV Dresden-Nord - FCC
Ort Sportplatz Wurzener Str. in Dresden
Zeit Sa. 01.11.03 14:00 Uhr
Zuschauer 1.405
Schiedsrichter Fabian Zastrow (Berlin)
Ergebnis 1:4
Tore
Andere Spiele
oder Berichte

Aufstellungen

Trikotfarben
Trikotfarben
Trikotfarben
Trikotfarben
Dresden
Rene Groß
Tino Gaunitz , Elvir Jugo , Jens Georgi
Ivo Kostadinov , Mario Scholze , Andre Heinisch (36.Markus Petzold) , Raimund Linkert
Bob Arto (46.Tino Semmer)
Martin Streiber (75.Danny Moses) , Frank Gaunitz

Trainer: Thomas Baron

Trikotfarben
Trikotfarben
Trikotfarben
Trikotfarben
Jena
Tino Berbig
Olaf Holetschek
Markus Grasser, Joachim Schwabe
Kais Manai , Gert Müller (81.Robert Böhme) , Stefan Treitl (70 Eric Noll), Daniel Petrowsky, Alexander Maul
Carsten Klee , Miroslav Jovic (73.Christian Müller)

Trainer: Joachim Steffens

Spielbericht

Die Entscheidung, mich erstmals auf eine Tour zu Dresden-Nord zu begeben, fiel mir doppelt leicht. Über den Sinn einer Ausfährtsfahrt muss man ohnehin nicht diskutieren, wenn Jena als Tabellenführer beim Zweiten anzutreten hat, ich wäre aber auch mit dem Dreirad zu Torpedo Torgelow gefahren, denn als Alternative für dieses Wochenende stand, mich gemeinsam mit Frau und Kindern in das Hoheitsgebiet meines Schwiegervaters zu begeben. Der begegnet meiner Anhänglichkeit an den FCC für gewöhnlich mit gespieltem Desinteresse, das jedoch schnell in Häme umschlägt, wenn das blaugelbweiße Dreamteam solch ein Fussballfest zelebriert wie letzten Samstag gegen Halberstadt. Dummerweise wohnen meine Schwiegereltern im betuttlichen Blankenburg im Harz und somit nur 16 km vom Germaniaground entfernt. Also war kaum damit zu rechnen, dass ihnen entgangen war, was sich vor Wochenfrist im EAS zutrug, und so malte ich mir vor meinem geistigen Auge aus, welch schöne Stunden mich erwarten würden: Ein frisch mit dem dutzendfach kopierten Volksstimme-Spielbericht tapeziertes Zimmer, zum Frühstück statt Kaffee und Brötchen ersatzweise Halberstädter Fleischbrühe und Würstchenmarmelade und danach ab auf die Couch, bis Mitternacht den MDR-Spielbericht als Videoendlosschleife anschauen. Nein, das tat nicht not.

Die Schilderungen meiner Bekannten ließen mich im Vorfeld nicht erwarten, mit dem Dresdner Rudi-Pinkert-Stadion das Gelobte Land des Groundhoppers zu finden. Trotzdem empfand ich den Anblick der aktuellen Heimspielstätte des FV-Dresden Nord als schockierend. Wie viel Zeit und Mühe musste man wohl investieren, um ein derart trostloses Umfeld für ein Fussballmatch zu finden? Ein Platz, reingeklatscht zwischen Altbaugebiet, verwilderten Kleingartenanlagen und Industriebrachen, dazu 4 Zuschauertraversen so hoch wie ein Bürgersteig und das alles vor der Kulisse eines 1:1-Modells vom Führerhauptquartier: Bonjour Tristesse! Am meisten beeindruckte mich der Sicherheitsstandard im Stadion. Man nehme ein paar Bauzäune, flechte kunstvoll Bindedraht herum - wenn der gerade ausverkauft ist, reicht auch Schnürsenkel - und fertig ist der Gästeblock. Da ich aufgeschlossen bin für alle Formen gehobener Heimwerkelei würde ich zu gern erfahren, was dieser „Sicherheitszaun“ eigentlich noch für eine Funktion hatte, außer planvoll die Sicht auf das Spielfeld zu behindern.

Angesichts dieser Impressionen mochte ich mich auf keinen Fall mit dem Gedanken anfreunden, jemals hier wieder her kommen zu müssen und hoffte darauf, dass Steffens Mannen diesen Wunsch ebenso inniglich hegten. Vorerst war Geduld angesagt, denn die Partie begann mit fast zehnminütiger Verspätung, eigentlich kein Wunder, wenn man bedenkt, dass DD-Nord mit mehreren Spielern antrat, die zum Besuch eines P-14 Filmes noch die Mutti mit ins Kino nehmen müssen und so ihre Zeit brauchen, bis sie sich vor Anpfiff von ihren Kuscheltieren trennen können. Die FV-Bubis legten dann sogleich los, als gäbe es nach dem Spiel Zuckerwatte und Pommes bis zum Abwinken und wuselten die FCC-Abwehr in der ersten Viertelstunde gehörig durcheinander. Bei der Chance in der 4. Minute klärte Berbig noch hervorragend, was man von Holetschek vier Minuten später nicht sagen konnte. Unbedrängt am eigenen 16er stehend, spielte er den Ball in Hoppelpoppelmanier in Richtung Seitenaus und damit einem Nordler fachgerecht auf den Fuss; gewissermaßen der Mercedes unter den Fehlpässen. Gottseidank verpuffte auch diese Möglichkeit und blieb ebenso ohne Folgen wie ein Dresdner Konter in der 13. Minute, nachdem Jena zuvor zur ersten halbwegs ernstzunehmenden Chance gekommen war, doch der Schuss von Jovic konnte noch abgeblockt werden.

So deutete anfangs vieles auf ein Nightmare on Wurzener Street für Jena hin, aber der Schrecken der Nordler sollte sich nur als harmloses „Huhu!“ entpuppen, denn in der 17. Minute machte der FCC dem Spuk eindrucksvoll ein Ende. Nach einem Freistoß am linken Seitenaus in Höhe des Strafraums tankte sich Holetschek zur Grundlinie durch, doch statt wie üblich die Balljungen zum Laufen zu bringen, zirkelte er eine Flanke millimetergenau in den Fünfmeterraum, wo sich Carsten Kopfballungeheuer hochschraubte und den Ball ins Netz drosch. Das sah nicht nur lehrbuchreif aus, das war für die Nordler auch eine psychologische Keule mit der ihr bis dato reichlich zur Schau gestellten Selbstbewusstsein sichtlich zertrümmert wurde. Es kam sogar noch besser. In der 28. Minute senkte sich ein euphemistisch als Flanke zu bezeichnender Befreiungsschlag Stefan Treitls in den Strafraum des FV Dresden Nord und Miro Jovic fand einen adrett in Schwarz gekleideten Verteidiger neben sich, dem man anmerkte, dass er wochentags seine Brötchen bei einem Escortservice verdient und dabei Unaufdringlichkeit als oberstes Gebot verinnerlicht hat. Ganz Gentlement ließ er Jenas Stürmer den Ball annehmen, der hauchte ein „Merci beaucou“ zurück und ließ das Leder ins lange Eck abtropfen; so einfach kann Toreschießen sein.

Die Nordler fanden anschließend nicht die Muße, miteinander in Hader zu geraten, denn Jena legte kurz darauf nochmals nach. Wieder bewährte sich Steffens taktisches Kabinettstückchen, einen dritten Stürmer in die eigene Abwehr zurückfallen zu lassen, der dann im entscheidenden Augenblick bei Standards Ecke zur Stelle ist und das Tor markiert wie Markus Grasser das 3:0. Mit seinem Tor wandelt der Ex-Regensburger zusehends auf Schnuphases Spuren, jenes legendären Jenaer Mittelsturmliberos der 70er und 80er Jahre, der es bis zum Torschützenkönig der Oberliga brachte, bevor ihn 1984 der steile soziale Abstieg ereilte und er die letzten Jahre seiner Karriere mit einem namenlosen mittelthüringischen Provinzteam durch die Lande tingeln musste. Wenn Weidmann Grasser jetzt noch seine gelegentlichen Bocksjagden nicht mehr innerhalb des eigenen Strafraums veranstalten würde (was diese Saison bislang glücklicherweise noch ohne größeren Schaden blieb), hat er eigentlich alles, was man zum Knuddelmonster der Jenafans braucht.

Damit war der Kuchen im Prinzip gegessen, denn an den drei Nackenschlägen, die Jena den Nordlern in weniger als einer Viertelstunde versetzte, wären auch ganz andere Mannschaften zerbrochen. 3 Chancen - 3 Tore, solche Quote kennt man eigentlich nur von den Unsympathen der Säbener Straße. Das war eiskalt und abgezockt, souveräner kann man als Spitzenreiter nicht auftreten. Noch war aber eine Stunde zu spielen und die Chronistenpflicht gebietet, die zwei mittelprächtigen Chancen der Dresdner und Holletscheks Freistoß gegen Ende der 1. Halbzeit zu erwähnen.

In der Pause rieben sich viele Zeissfans die Augen: DAS hier soll die schwerste Herausforderung der bisherigen Saison sein? DIESE Nordler unser ärgster Gegner? Das Geschehene mutete fast surreal an, aber Jena ist öfter dafür gut, die eigenen Fans schnell aus den Träumen zu reißen. Doch notorische Schwarzseher hatten es schwer, an diesem Nachmittag auf ihre Kosten zu kommen. Nach Wiederanpfiff spielte der FCC das Ding locker runter, manchmal leider zu locker, denn die Genauigkeit beim finalen Pass fehlte häufig, um die Dresdner erfolgreich auszukontern. Klappte es mal wie in der 50. Minute, dann hob der Assi an der Linie die Fahne, zu Unrecht wohl, aber beim Stand von 3:0 tat das nicht mehr weh. Gerade deshalb fehlt mir das Verständnis, warum sich Carsten Klee in dieser Szene zänkisch geben musste und dafür die Gelbe Karte erhielt. Hätte er vorher schon vier gehabt, so wäre das ein subtile Hinweis gewesen, dass Frank Ordenewitz nicht vergessen ist, aber so kann man nur hoffen, dass er deswegen nicht mal in einem wirklich wichtigen Spiel gesperrt sein wird.

Die Dresdner spielten nach der Pause unverdrossen tapfer weiter, aber eine Ecke ins Aus wie in der 58. Minute belehrte auch den kühnsten FV-Nord Optimisten auf den Rängen, dass an eine Aufholjagd nicht wirklich zu denken war. Eigentlich konnten sie einem fast ein bisschen leid tun, so mutig wie sie in die Partie gegangen waren und dann umgehend nackig gemacht wurden. Solches Mitgefühl rührte wohl auch das edle Gemüt des Stefan Treitl. Also blieb er in der 66. Minute einfach mal mit lässig geöffneten Beinen am eigenen Fünfmeterraum stehen, ließ den Ball durch und den Gegner vorbeihuschen; und schon hatten die Nordler ihr Ehrentor. Steffens schaute kurz auf seinen Zettel, fand hinter dem Namen Treitl aber nichts von einer Tagesaufgabe „Sorge für ein Ende der Langeweile!“, und so entschied er, dass Jenas Ex-Kapitän bereits genügend Scorerpunkte gesammelt hatte. Bei Jovic sah das noch anders aus, und deshalb schummelte der sich wenige Minuten nach dem 1:3 links im Strafraum an einem Verteidiger vorbei, legte fast auf Höhe der Grundlinie wider Erwarten nicht zurück sondern spitzelte den Ball am bereitwillig die Ecke öffnenden FV-Torwart vorbei ins Dresdner Gehäuse. Da blitzte sie wieder auf, Miros alte Klasse und Schlitzohrigkeit, die ich schon verschüttet glaubte.

Somit stand des Endergebnis bereits knapp lange vor Ende fest. Chancen für einen noch deutlicheren Sieg gab es in der 80. Minute noch für Diegito Klee, der sich den Ball in der eigenen Hälfte geschnappt und auf rechts die gesamte Dresdner Abwehr dumm gespielt hatte, bevor sein Schuss knapp am Tor vorbeistrich. Daniel Petrowsky hätte ich nach manch durchwachsener Partie in den letzten Wochen gleichfalls ein Erfolgserlebnis gewünscht, aber als er in der 82. Minute frei vor dem Dresdner Torwart auftauchte, blieb er leider nicht cool und schob überlegt ein, sondern hämmerte das Leder genau in die Mitte des Tores und da sich der Keeper in der Regel nicht hinter den Pfosten versteckt, gab es keinen erneuten Jubel im Jenaer Fanblock. Aber dort war man auch so guter Laune und wer auf Menstrip steht, musste am Samstag nicht auf die California Dream Boys warten.

So stand am Ende ein klarer und nach den kleineren anfänglichen Zittereinlagen ungefährdeter Sieg. Es war ein Triumph in einer Partie, deren sportliche Brisanz, zumindest im Vorfeld, außer Frage stand. Der Erfolg war hochverdient und Ergebnis einer abgeklärten, überzeugenden Vorstellung. Trotzdem fühlte ich mich von diesem Spiel eigenartig unberührt. Von Euphorie keine Spur, ich schied vielmehr mit dem Gefühl aus Dresden, dass selbst eine solch grandiose Leistung, wie sie die Mannschaft gegen den FV Nord bot, konterkariert wird durch das Umfeld, in dass sie eingebettet ist. Ein Spitzenspiel vor gut 1400 Zuschauern, in einem Stadion ähnlich dem SV Schott-Platz neben dem EAS; da fehlt es an elementaren Dingen, die ein Match erst zum Erlebnis machen, da kann sich keine Stimmung entfalten, da hat Fußball keinen Zauber. Darum möchte ich den Spielern fast flehentlich zurufen: „Bitte, bitte, kniet euch rein, zerreißt euch für den Aufstieg, ich will nicht mehr die blaugelbweißen Farben in einem Ligaspiel auf solch schäbigen Plätzen sehen! Das ist nicht der Fußball, den ich noch eine Saison länger ertragen möchte!“

Ob der Ruf zu ihnen durchdringt, erfahren wir am Freitag. Jeder weiß, dass Jena dann haushoher Favorit ist, nicht zuletzt nach der Leistung im Spiel gegen den ärgsten Verfolger. Der Sieg gegen Dresden-Nord fiel am Ende überraschend leicht, für einige hoffentlich nicht zu leicht. Denn das deutliche 4:1 gegen die Elbflorenzer wurde auch deshalb möglich, weil diese den Ehrgeiz besaßen, den FCC nicht allein durch Mauerkunst beeindrucken zu wollen sondern die Offensive wagten. Dabei wurden ihnen deutlich die Grenzen aufgezeigt. Angesichts des Debakels der Dresdner wird sich jeder andere künftige Gegner Jenas noch weniger animiert fühlen, dem FCC im Sturmlauf gegenübertreten. So werden die Partien gegen Erfurt-Nord und sogar gegen Dessau keine Selbstläufer sondern die bekannten Geduldsspiele und falls nach einer halben Stunde noch keine klare Jenaer Führung zu verzeichnen ist, sollte sich niemand, wirklich niemand bei diesen Matches darin gefallen, neunmalkluge Sprüche zu klopfen, weil er meint, dass Jenas nächste beiden Heimspielgegner nicht die Klasse von Real Pößneck oder Halberstadt United haben.

--Al Knutone