1960 18. Spieltag: SC Motor Jena - ASK Vorwärts Berlin 1:2

Aus FCC-Wiki - Wiki vom FC Carl Zeiss Jena
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Spieldaten
Wettbewerb DDR-Oberliga, 18. Spieltag
Saison Saison 1960, Rückrunde
Ansetzung SC Motor Jena - ASK Vorwärts Berlin
Ort Ernst-Abbe-Sportfeld in Jena
Zeit So. 02.10.1960 15:00 Uhr
Zuschauer 15.000
Schiedsrichter Hans-Georg Neumann (Forst)
Ergebnis 1:2 (0:1)
Tore
  • 0:1 Meyer (13.)
  • 1:1 Woitzat (61.)
  • 1:2 Nachtigall (73.)
Andere Spiele
oder Berichte

Aufstellungen

Jena (blau)
Wolfgang Brünner
Hans-Joachim Otto, Siegfried Woitzat, Hilmar Ahnert
Hans Graupe, Walter Eglmeyer
Roland Ducke, Peter Ducke, Dieter Lange, Horst Kirsch, Erwin Schymik (58. Helmut Müller)

Trainer: Georg Buschner

Berlin (gelb-rot)
Karl-Heinz Spickenagel
Peter Kalinke, Werner Unger, Dieter Krampe
Hans Kiupel, Gerhard Reichelt
Rainer Nachtigall, Lothar Meyer (27. Günther Hoge), Gerhard Vogt, Jürgen Nöldner, Günther Wirth

Trainer: Harald Seeger

Spielbericht

Eigene Kräfte selbst gefesselt

Motors Spielkonzeption unökonomisch, erfolglos

Der ASK gewann dieses Spitzenderby sicherer, als man es erwarten konnte. Immerhin weiß man um die spielerischen Qualitäten der Jenaer Motor-Elf, immerhin weiß man, daß sie weit besser ist, als ihr Tabellenplatz vermuten lässt. Aber auch an dieser zahlenmäßig sogar recht glimpflichen Niederlage gibt es nichts zu deuteln. Der ASK war besser, sogar eindeutig überlegen. Das aber - und hierin sind sich die fachkundigen Besucher einig - ist weniger in den unterschiedlichen Qualitäten beider Mannschaften zu suchen, sondern in erster Linie in der ungewöhnlichen Spielkonzeption der Gastgeber. Meine Meinung ist nicht extrem. Sie entspricht im wesentlichen auch denen unserer Verbandstrainer Fritz Gödicke und Heinz Krügel sowie des ungarischen Fachmannes Karel Sos, die alle auf den Tribünen des Ernst-Abbe-Stadions zu finden waren.

Man sollte diese Meinung im Kreise der Jenaer Verantwortlichen nicht überlegen beiseite schieben. Denn Jenas Mannschaft kann mehr, wenn man ihr diese ihre Fähigkeiten beschneidende taktische Jacke nimmt. Die zuletzt wiederholt praktizierte Formation ist erfolglos. Das muß man, nachdem gegen den SC Wismut und auch gegen den ASK Vorwärts auf eigenem Gelände doch recht sang- und klanglos vier Punkte abgegeben wurden, einsehen. Deshalb einsehen, weil gerade die Sorge um die benötigten Punkte als Begründung für diesen Riegel-Mischmasch angeführt wird. "Wir stehen am Tabellenende, benötigen jeden Punkt, also spielen wir vorsichtig, mit verstärkter Abwehr", so etwa ist die Meinung der Verantwortlichen, auch die Trainer Buschners. Wir können uns, nachdem wir die Mannschaft in jüngster Zeit dreimal beobachteten, dieser Ansicht nicht anschließen. Warum?

1. Die praktizierte 1-4-3-3-Formation widerspricht dem eigentlichen Sinn unseres Fußballs, übertont die Abwehr unwahrscheinlich. Acht Abwehrspieler und drei Stürmer. Dieses Verhältnis ist ungesund, dient keinesfalls unserem Fußball, da hier die veraltete Devise: Tore verhindern, nicht schießen, verwirklicht wird.

2. Diese Spielkonzeption spekuliert auf die Schwäche des Gegners. Schließlich hofft man ja, der Gast werde mit dieser massiven Abwehr nicht fertig, aber der eigene Drei-Mann-Sturm könne vielleicht doch einmal ein Tor erzielen.

3. Das Spielsystem ist unökonomisch, kräftezehrend. Bester Beweis sind die gegen Spielschluß völlig entkräfteten Peter Ducke, Dieter Lange, Waldi Eglmeyer. Auch der konditionsstärkste Spieler schafft es nicht, laufend den Raum zwischen Abwehr und Angriff zu überbrücken. Die Stürmer, meist auf sich allein gestellt, werden überfordert.

4. Diese Konzeption entspricht nicht einmal der Situation in der Motor-Mannschaft. Man kann mit diesen ausgezeichneten Fußballern, die Trainer Buschner zur Verfügung hat, zweifellos einen modernen Angriffsfußball spielen. Ja, wir behaupten sogar, Motor führe dabei weit besser. Schließlich käme dabei im schlimmsten Falle ebenfalls nur eine Niederlage heraus.

Es war eine Freude, zu sehen, wie ideenreich, beweglich und technisch perfekt Müller, Ducke und Lange ihre Gegenüber narrten. All diese Fähigkeiten in ein von beiden Läufern forciertes Kombinationsspiel einbezogen, ließe ein modernes Angriffsspiel entstehen, wie wir es uns selbst wünschen. Mit drei Stürmern aber erreicht man das nicht. Selbst wenn diese über sich hinauswachsen, wie dies zeitweilig Peter Ducke, sein Bruder Roland und der aus unverständlichen Gründen erst so spät eingesetzte Helmut Müller (sein Direktschuß in der 82. Minute zählt zu den besten Leistungen des gesamten Spiels) taten. Diese Wahrheit ist bitter, aber man muß sie vor allem im Interesse der Jenaer Mannschaft nennen.

Wie schön, begeisternd unser Fußball sein kann, bewies zeitweilig der ASK. Nicht daß er sich in Glanzform vorstellte, zu früh fiel hierfür der Regisseur Lothar Meyer (Muskelzerrung) aus. Aber wie man die schwierige Aufgabe, den massiven Abwehrblock zu brechen, löste, war schon sehenswert. ASK nämlich stürmte nicht bedingungslos, zeigte keine Blöße. Stets wurde der Weg über die Flügel durch feine Ballpassagen gefunden. Die Schnelligkeit von Nachtigall, Wirth (beide erheblich verbessert), Vogt, die technische Perfektion von Nöldner, Hoge wurde diesmal überzeugend genutzt. Mit haargenauen Steilpässen auf die ständig rochierenden Stürmer wurde die Motor-Abwehr "reif" gemacht. Zwei in Vorbereitung und Ausführung bildschöne Tore und noch so manche Chance waren die verdiente Ausbeute. Beiden Toren folgte stets dem Steilpaß ein sehenswertes Dribbling mit sauberem Abschluß. In der 13. Minute war Nöldner der Vorbereiter, als er mit einem 30-m-Diagonalpaß Meyer losschickte, der Woitzat stehenließ und auch Brünner überlistete. In der 73. Minute konnte sich der schnelle Nachtigall für Krampes Musterpaß bedanken. Und bei ein wenig mehr Konzentration im Strafraum hätten durchaus zu diesen zwei Toren weitere hinzukommen können (Vogt, Hoge, nachtigall).

Der ASK gefiel in Jena, und nicht wenige unter den 15000 waren sich einig darüber, daß es kaum einer Mannschaft unserer Oberliga gelingen dürfte, die Berliner in dieser Form von der Spitze zu verdrängen.

(Horst Friedemann in "Die Neue Fußballwoche" vom 4. Oktober 1960)

Reserven : 0:3 - Jena : Blüher ; Hoffmann II , Woitzat II , Conrad ; Vasold , Dimopolus ; Knorrn , Sack , Glaue , Schönberger , Hoffmann I , Tore : Schaarschmidt 2 , Körner