1967/68 FDGB-Pokal Finale: 1. FC Union Berlin - FC Carl Zeiss Jena 2:1

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Spieldaten
Wettbewerb FDGB-Pokal, Finale
Saison Saison 1967/1968
Ansetzung 1. FC Union Berlin - FC Carl Zeiss Jena
Ort Kurt-Wabbel-Stadion in Halle
Zeit 09.06.1968 15:30 Uhr
Zuschauer 13.000
Schiedsrichter Rudi Glöckner (Markranstädt)
Ergebnis 2:1
Tore
  • 0:1 Krauß (1.)
  • 1:1 Uentz (29. Handelfmeter)
  • 2:1 Quest (63.)
Andere Spiele
oder Berichte

Aufstellungen

Trikotfarben
Trikotfarben
Trikotfarben
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Union Berlin
Rainer Ignaczak
Wolfgang Hillmann (67. Harry Zedler), Wolfgang Wruck, Reinhard Lauck, Herbert Felsch
Ulrich Prüfke, Harald Betke
Günter Hoge, Ralph Quest, Meinhard Uentz, Jürgen Stoppok

Trainer: Werner Schwenzfeier

Trikotfarben
Trikotfarben
Trikotfarben
Trikotfarben
Jena
Wolfgang Blochwitz
Udo Preuße (70. Peter Ducke), Peter Rock, Michael Strempel, Jürgen Werner
Gerd Brunner (46. Heinz Marx), Rainer Schlutter
Helmut Stein, Werner Krauß, Dieter Scheitler, Roland Ducke

Trainer: Georg Buschner

Spielbericht

Endspiel-Neuling holte den Pokal

Die beiden Mannschaften vor Beginn des Spiels im Kurt-Wabbel-Stadion.

Wenn einst die Geschichte des FDGB-Pokal-Wettbewerbs geschrieben wird, wenn es dabei darum geht, echte Sensationen festzuhalten, dann darf man sicher sein, daß dieses siebzehnte Finale ein besonderes Kapitel einnehmen wird. Selten einmal gab es bisher einen so klaren Favoriten, kaum je so einen krassen Außenseiter. Und daß dieser krasse Außenseiter diesen klaren Favoriten bezwang, ihn verdientermaßen schlug, das zeugt einmal mehr von der Tatsache, daß Pokalspiele eigenen Gesetzen unterliegen, daß der Pokalgedanke, was sich mit ihm verbindet, lebt und unserem Sport ständig neue Impulse verleiht. Über diese Tatsache farf man sich freuen, weil sie einmal mehr beweist, daß unser Spiel immer neue Überraschungen in sich birgt, daß es seine Anziehungskraft stets aufs neue ausstrahlt und so immer reizvoll bleiben wird.

Diese sechste Nachmittagsstunde des 9. Juli 1968 wird den Schützlingen Trainer Schwenzfeiers unvergeßlich bleiben. Dem jungen Lauck, der gerade sein erstes Spiel für den 1. FC Union bestritten hatte, ebenso wie dem erfahrenen Prüfke, der seit Jahren den Stil seiner Mannschaft entscheidend prägt, zu einer echten Persönlichkeit wurde und der aus den Händen des Sekretärs des FDGB-Bundesvorstandes Helmut Thiele die schwere Bronzestatue in Empfang nahm. Der Jubel der Zuschauer, unter ihnen Horst Sindermann, Mitglied des Politbüros des ZK der SED und 1. Sekretär der Bezirksleitung Halle, galt dem FDGB-Pokalsieger, dem 1. FC Union Berlin, der seinen bisher größten Erfolg errang.

Eine Verbeugung machte der 1. FC Union an diesem Sonntag vor dem Meister. Das geschah vor dem Anpfiff, und es blieb die einzige. Als Gratulation für den Titelgewinn überreichte Ulrich Prüfke seinem Kapitänskollegen Roland Ducke einen großen Berliner Bären. Während der neunzig Minuten jedoch ließen sich die Berliner kaum von der Würde ihres Kontrahenten, seiner eindeutigen Favoritenstellung beeindrucken, kämpften ihn vielmehr zunächst nieder (!), um ihn dann nach der Pause auch in spielerischer Hinsicht im Griff zu haben.

Es mag kurios, widersprüchlich geradezu klingen: Die Entscheidung gegen den FC Carl Zeiss fiel zu einem Zeitpunkt, da sie gegen den 1. FC Union gefallen schien. Als Krauß nach weniger als einer Minute mit platziertem Schuß aus der Drehung das 1:0 erzielte, gab kaum jemand im weiten Oval noch einen Pfifferling für die Berliner. Offen sei eingestanden, daß auf unserem Notizblock nach dieser Szene folgendes stand: Selten wurde ein Finale so früh entschieden, Union wurde kalt getroffen!

Nach dieser schnellen Führung trumpfte der Meister eine Viertelstunde lang auf, spielte variabler, stieß abwechselnd mit Strempel, Preuße, Werner und Brunner nach vorn, verlagerte klug das Geschehen, hatte meist eine Überzahl von Spielern an den Brennpunkten. Doch schon in dieser Zeit, der besten der Jenaer, zeigte sich ein Mangel: Die Mittelreihe mit Schlutter und R. Ducke fand nicht ihr Spiel! Betke ließ Schlutter nie zur Entfaltung kommen, deckte ihn konsequent, so daß er kaum angespielt werden konnte. Das lähmte den FC Carl Zeiss entscheidend! Zudem ließ man, nach dem Führungstreffer und den zunächst klaren Feldvorteilen, die Zügel schleifen, glaubte, den Partner bereits geschlagen zu haben. Genau das war Gift für den Meister, dessen Spielweise die ständige Konzentration aller Aktiven erfordert. Fehler schlichen sich ein. Unmerklich erst, spürbarer dann. R. Ducke blieb zu inaktiv; Schlutter vermochte es nicht, sich Betkes eisernen Zugriffs zu entziehen; Werner mußte, mehr als ihm lieb war, Hoges Absätze sehen; Preuße verließ sich zu sehr auf seine Robustheit; Scheitler fiel nur dadurch auf, daß er oft in die Abseitsfalle lief; Brunner war zu wenig konstruktiv, war später, nach seinem Handspiel, das mit dem Ausgleich bestraft wurde, nur noch ein Nervenbündel. Der Meister verlor nach fünfzehn Minuten etwa jeglichen meisterlichen Zuschnitt. Die Bälle wurden fast planlos nach vorn geschossen, man verzichtete auf jegliches Mittelfeldspiel, sieht man von einer kurzen Phase nach Wiederbeginn ab. So enttäuschend das war, so sehr zeigte es, daß man auch beim FC Carl Zeiss längst noch nicht am Ziel aller Wünsche ist.

In dem Maße, in dem die Konzentration der Jenaer nachließ, in dem Maße gewann der 1. FC Union an Selbstvertrauen. Er spürte, daß der hohe Favorit an diesem Tage zu packen war. Und dieses Gefühl weckte die Kampfkraft der Berliner. Am energischen Einsatz standen die Felsch, Hillmann, Wruck, Hoge, Quest ihrem Partner nicht nach, an Laufpensum übertrafen die Stoppok, Betke, Lauck ihre Widersacher, und an spielerischem Vermögen überragte Prüfke alle Jenaer wie auch Ignaczak nach dem Wechsel zu einem der auffälligsten Aktiven auf dem Platz wurde, durch seine Paraden P. Duckes Schuß ebenso meisterte (76.) wie Steins Kopfball (80.)

Der Ausgleich, durch einen Handstrafstoß von Uenz erzielt, erhöhte das Selbstbewußtsein der Berliner, die ihren enormen Einsatz mit taktischer Klugheit und spielerischen Mitteln verbanden und ihr Leistungsvermögen erreichten. Als der FC Carl Zeiss nach dem Wechsel drangvoller stürmte, R. Ducke endlich stärker wurde, bewies die Deckung mit Wruck ihre Zuverlässigkeit. Prüfke wurde im Mittelfeld zur Schaltstation. Sein Musterpaß auf Quest ermöglichte das Siegestor durch diesen unberechenbaren Spieler, der Blochwitz, nachdem er sich fast festgelaufen schien, mit dem alles entscheidenden Treffer überwand. Dieser erfolgreich abgeschlossene Angriff war typisch für die Konterattacken Unions, die durch Uentz (78.), Hoge (81.) und Lauck (90.) wiederholt wurden und fast noch zu weiteren Treffern geführt hätten.

So triumphierte der 1. FC Union nach Verdienst, und müßig ist es zu fragen, ob der FC Carl Zeiss durch eine frühere Hereinnahme P. Duckes (er sorgte für mehr Druck) eine Wende hätte erzwingen können. Die Berliner waren an diesem Tage einwandfrei besser, sie allein sorgten für einigen spielerischen Glanz, der allerdings insgesamt von der kämpferischen Wucht dieses Finales überstrahlt wurde und etwas zu kurz kam, bei aller Anerkennung dessen, daß sich mit dem Pokal vor allem kämpferischer Einsatz verbindet.

(Günter Simon in "Die Neue Fußballwoche" vom 11. Juni 1968)